Wer heute durch die Gärten, Parks oder Alleen in Mitteleuropa spaziert, „stolpert“ häufiger mal – meist ohne es zu wissen – über ein lebendes Fossil aus der Pflanzenwelt. Der bis zu 40 Meter hohe Ginkgo-Baum hat sich seit seiner Wiedereinführung durch den Menschen in hiesigen Gefilden in den letzten knapp 300 Jahren wieder rasch ausgebreitet.
Dies ist auch kein Wunder, denn der in seiner Heimat China als Tempelbaum verehrte Ginkgo trotzt hartnäckig selbst schlimmsten Luftverunreinigungen oder angriffslustigen Bakterien und Pilzen. Sogar heftige Waldbrände und Stürme übersteht er problemlos. Berühmt geworden ist ein Ginkgo, den selbst die Atombombenexplosion in Hiroshima nicht vernichten konnte. Obwohl er zunächst in diesem Inferno völlig verbrannte, brachte er bereits im nächsten Jahr wieder neue Triebe hervor.
Vor 150 Millionen Jahren war der Ginkgo eine Art Kosmopolit und fast überall auf der Welt zu finden. Noch bis vor rund 2,5 bis fünf Millionen Jahren – dies belegen fossile Funde – gehörte der Ginkgo wie selbstverständlich auch zur Grundausstattung der heimischen Wälder. Dann machten ihm die widrigen Bedingungen in der Eiszeit den Garaus.
Schon die schnelle Ausbreitung der fortschrittlichen bedecktsamigen Blütenpflanzen in den letzten 144 Millionen Jahren hatte den Lebensraum des archaischen Nacktsamers Ginkgo zuvor arg beschnitten. Der Siegeszug der Blütenpflanzen gehört nach Meinung der Forscher zu den „zentralen evolutionären Ereignissen“. „Eine Reihe von Landpflanzen starb nahezu oder völlig aus, wie die Samenpflanzen-Linie des Gingko, während andere Gruppen von Organismen einen beispiellosen Anstieg ihrer Diversität erlebten, so etwa Bienen und Käfer“, erläutert der Göttinger Biologe Harald Schneider aus der Abteilung Systematische Botanik des Albrecht-von-Haller-Instituts für Pflanzenwissenschaften. Letzte wilde Restbestände des Ginkgos gibt es heute nur noch in abgelegenen Bergtälern in der Zhejiang Provinz Chinas.