„In den beiden Seen befindet sich heute mehr Gas als bei den damaligen Explosionen. Je eher es entfernt wird, desto besser.“ Kürzer und treffender als der vielleicht führende Experte Professor George W. Kling von der Universität von Michigan kann man die Bedrohung, die auch heute noch von den „Killerseen“ Lake Monoun und Lake Nyos ausgeht, kaum beschreiben.
Während eines Workshops in Yaounde, der Hauptstadt Kameruns im Oktober 1999 präsentierte er zudem brisante Einzelheiten: Knapp 14 Jahre nach dem Desaster von 1986 haben sich allein im Lake Nyos bereits wieder weit über 500.000 Tonnen bzw. 300 Millionen Kubikmeter CO2 angesammelt. Mehr als genug um eine Großstadt wie Hamburg unter einer mehrere Meter hohen CO2-Schicht verschwinden zu lassen. Auch am viel kleineren Lake Monoun hat das CO2-Reservoir mit zehn Millionen Kubikmeter wieder gefährliche Dimensionen erreicht.
Der Wissenschaftler schätzte deshalb, dass in zehn bis 30 Jahren das Wasser beider Seen vollständig mit Gas gesättigt und irgendwann eine neue Naturkatastrophe unabwendbar sei. Bedingung: Der Gasnachschub aus dem Untergrund bleibt auf dem momentanen Level stabil. Ein einziges geologisches Ereignis, sei es ein Vulkanausbruch, ein schwaches Erdbeben oder ein Erdrutsch könnte schon jetzt ausreichen, um die Seen zum Umkippen zu bringen und das Desaster von damals zu wiederholen.
Kling und andere Wissenschaftler wie Michel Halbwachs von der Universität von Savoie in Frankreich und japanische Professor Minoru Kusakabe gehören deshalb zu einem internationalen Wissenschaftlerteam, das federführend am „The Lake Nyos and Monoun Degassing Project (NMDP)“ mitarbeitet, um den Killerseen das Handwerk zu legen. Das NMDP wurde vor einigen Jahren vom „Office of Foreign Disaster Assistance, USAID“ und dem „Cameroonian Inter-Ministerial Committee for the Nyos-Monoun Degassing Program“ ins Leben gerufen.
Seit einiger Zeit liegt auch bereits ein spektakulärer Vorschlag zur Entgasung der Seen auf dem Tisch. Mithilfe eines mächtigen Rohrsystems – so die Idee der Wissenschaftler – planen sie CO2-reiches Wasser aus den Tiefenregionen der Seen abzusaugen und an die Wasseroberfläche zu pumpen. Dort soll das Gas dann kontinuierlich und sicher in die Atmosphäre abfließen.
Was auf den ersten Blick wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht erscheint, hat einen fundierten wissenschaftlichen Hintergrund. Vorversuche zur sicheren natürlichen Entgasung laufen am Lake Mounoun bereits seit 1992. 1995 gelang es Wissenschaftlern um Michel Halbwachs von der Universität Savoie am Lake Nyos einen ersten Prototypen des Systems zu installieren.
Die Ergebnisse und die projektbegleitenden Studien waren so vielversprechend, dass im Januar 2001 mit der eigentlichen Entgasungsaktion am Lake Nyos begonnen werden konnte. Zu diesem Zweck wurde ein mehr als 200 Meter langes Rohr mit einem Durchmesser von knapp 15 Zentimetern in der Mitte des Sees hinabgelassen und verankert. Ein mit Seilen im Grund des Gewässers befestigtes Schwimmfloß sorgt seitdem dafür, dass das Rohr seine stabile senkrechte Position an der Wasseroberfläche hält. Ein weiteres schwimmendes Hilfsmittel trägt eine Pumpe, einen Kompressor und verschiedene Instrumente, die für die Datenübertragung wichtig sind.
Am Rohr sind in Wassertiefen von 0, 100 und 140 Metern sind drei ferngesteuerte „Absperrhähne“ angebracht, die bei Gefahr geschlossen werden können, um die Entgasungsaktion zu stoppen. Verschiedene Sensoren zur Messung der Durchflussrate und des Drucks im Rohr komplettieren das Überwachungssystem der Anlage.
Stand: 20.04.2003