Ab dem Sommer 2006 ist an den Schulen alles anders als sonst – zumindest in Nordrhein-Westfalen. Um beim nächsten PISA-Test die Abstiegsränge im Bundesländervergleich hinter sich zu lassen, hat die NRW-Landesregierung das Schulsystem einer Vollsanierung unterzogen. Ab jetzt gibt es zentrale Abschlusstests nach der Klasse 10, einen Qualitäts-TÜV für alle Schultypen, eine bessere Förderung für schwache Schüler sowie Noten für das Sozialverhalten. „Mit dem Schulgesetz haben wir vor den Sommerferien den Rahmen für eine neue leistungsfähigere Schule In NRW geschaffen“ erläuterte NRW-Schulministerin Barbara Sommer zu Schulbeginn am 9. August 2006.
Doch damit nicht genug: An den Grundschulen werden sich nicht nur die Kinder in der ersten Klasse dieses Mal wie I-Dötzchen fühlen, auch mancher Lehrer muss ab diesem Schuljahr unbekanntes Terrain betreten. Denn die Schulpolitiker haben ein neues landesweites Fortbildungsangebot für Grundschullehrer aus der Taufe gehoben. Im Projekt „Warum ist das so? – Experimente in der Grundschule“ sollen Pädagogen aus jeder der fast 3.500 Grundschulen in NRW Nachhilfe für praxisnahen Unterricht von Fachleuten aus der Wirtschaft erhalten.
Begeisterung für Naturwissenschaften wecken
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Rund 100 Unternehmen aus den Bereichen Chemie, Physik und Technik öffnen dazu ihre Tore und stellen den Paukern spannende Experimente zu Themen wie „Aggregatzustände des Wassers“ oder „Versuche mit Wasser, Luft und Schall durchführen“ vor. Von den Lehrern klassen- und situationsgerecht aufbereitet, sollen diese dann später auch im Unterricht durchgeführt werden.
Ziel ist die natürliche Neugier der Kinder besser zu befriedigen und Begeisterung für die Chemie, Physik und Technik zu wecken. Hintergrund: Viele Unternehmen haben schon heute mit einem Mangel an Nachwuchs bei Naturwissenschaftlern oder Ingenieuren zu kämpfen
Lehrer sollen Unterricht verbessern
„Spannender Unterricht braucht kompetente Lehrerinnen und Lehrer, die selbst von der Materie gefesselt sind“, erläutert Sommer die Gründe für die ungewöhnliche Weiterbildungsaktion. „Das gemeinsame Projekt ‚Warum ist das so?’ wird Lehrerinnen und Lehrer für naturwissenschaftliche Phänomene begeistern und sie darauf vorbereiten einen durch Experimente verbesserten Unterricht zu erteilen.“.
Doch nicht nur die Schulen in NRW und vielen anderen Bundesländern stehen vor einem durch den PISA-Schock ausgelösten Reformmarathon. Auch die Kindergärten sollen nach dem Wunsch der Politiker aus ihrem angeblichen Dornröschenschlaf in Sachen Bildung geweckt werden. Während früher der „Ernst des Lebens“ erst mit sechs Jahren begann, könnten schon bald Englisch oder Mathematik Einzug in die Welt der Dreikäsehochs Einzug halten.
Erste Lehrpläne für die pädagogische Arbeit in den Kindergärten gibt es bereits. Sie folgen der Erkenntnis, dass “der Mensch in keiner Phase seiner Entwicklung so entdeckungsfreudig und aufnahmefähig ist, wie in der frühen Kindheit“, wie die Bertelsmann Stiftung schreibt. Und sie treffen damit den Nerv der Bevölkerung. Dies belegt zumindest eine neue Studie der Stiftung aus dem Jahr 2005. Danach plädieren rund 50 Prozent aller Bürger für ein Recht auf Bildung spätestens ab dem dritten Lebensjahr und 60 Prozent der Befragten sind mit den öffentlichen Angeboten zur frühkindlichen Förderung im Alter von null bis sechs Jahren nicht zufrieden.
Stand: 11.08.2006