In der Luftfahrt sorgte Anfang der Neunziger ein „Patent aus dem Meer“ für Furore. Ein Team von Berliner Wissenschaftlern hatte eine Folie entwickelt, die den Kerosinverbrauch von Passagierflugzeugen wesentlich senken sollte. Als Vorbild für die ausgezeichnete Neuentwicklung diente dabei eine Konstruktion der Natur – die Haut des Hammerhais.
Schon Ende der 70er Jahre war dem Tübinger Paläontologen Wolf-Ernst Reif aufgefallen, dass besonders die schnell schwimmenden Hai-Arten auf ihren Hautschuppen mikroskopisch feine, in Strömungsrichtung verlaufende Rillen trugen. Die Vermutung lag nahe, dass diese Rillen einen strömungsdynamischen Vorteil gegenüber der glatten Haut darstellen könnten.
Zwar widersprach diese Vermutung eigentlich der gängigen Theorie, dass jede Art von Unebenheit den Reibungswiderstand einer Oberfläche erhöht, Reif schickte aber dennoch Proben dieser Haut an den Ingenieur Dietrich Bechert der an der Abteilung für Turbulenzforschung des DLR arbeitete. Bechert und sein Team vermaßen die Hautrillen unter dem Mikroskop und übertrugen ihre geometrischen Verhältnisse hunderfach vergrößert auf Plexiglasscheiben. Der Grund: die so vergrößerten Strukturen verhalten sich in einem Strömungsbecken mit Öl genauso wie ihre millimeterfeinen Vorbilder in einem Windkanal, sind aber erheblich leichter und billiger herzustellen und zu modifizieren als diese.
Und tatsächlich ergaben die Versuche Widerstandverminderungen von bis zu zehn Prozent. Es zeigte sich, dass die feinen Rillen die Entstehung von störenden und daher bremsenden Querströmungen verhinderten. Noch während der Laborarbeiten fanden Bechert und sein Team einen Hersteller, der selbstklebende Folien mit dieser Mikrostruktur produzieren konnte und wollte. Die Vermarktung konnte beginnen.
Inzwischen profitieren sowohl Schiffe als auch Flugzeuge von den Vorteilen der Haihautfolie. 1987 gewann der amerikanische Segler Dennis Connor mit seiner Yacht „Stars and Stripes“ dank dieser Mikrorillen den America’s Cup, und auch eine erste Linienmaschine der Cathay Pazific ist zum Teil mit der Haihautfolie ausgerüstet. Sie verbraucht damit immerhin ein Prozent weniger Kerosin. Zwei Airbusse, die in Testflügen zu 75 Prozent mit der Folie beklebt waren, hatten eine bis zu acht Prozent niedrigere Wandreibung. Auf Langstreckenflügen könnten dadurch rund zweieinhalb Tonnen Treibstoff eingespart werden. Statt des zusätzlichen Kerosins kann die Maschine dadurch bis zu 15 Passagiere mehr mitnehmen.
Stand: 21.03.2002