Gut oder Böse, Heilsbringer oder Zerstörer? Die Frage nach der Rolle der Wissenschaft stellt sich heute mehr denn je. Angesichts von Klonierungsplänen, Debatten um gesetzliche Reglementierung der Genforschung und Visionen von sich selbst replizierenden künstlichen Intelligenzen muss die Forschung mehr und mehr gegen ein zunehmend schlechter werdendes Image in der Öffentlichkeit ankämpfen – einerseits.
Andererseits weckt der wissenschaftliche Fortschritt heute so große Hoffnungen wie nie zuvor: „Der Gebrauch der neuen Techniken wird uns befähigen, viele Krankheiten zu kurieren und unser Leben zu verlängern, Armut und harte körperliche Arbeit zu beseitigen und die Erde zu heilen“, so prognostizierte der amerikanische Computerexperte Bill Joy im Juli 2000 in der Zeitschrift „Wired“.
„Für die Wissenschaft, die Überwinderin von Krankheiten, die Vermehrerin der Ernten, die Erforscherin des Universums, die ewige Richtschnur zur Wahrheit“ – dieser schwärmerische Sinnspruch steht noch heute an der Decke des Gebäudes der amerikanischen Akademie der Wissenschaften. Heute in dieser Form undenkbar, spiegelt der 1924 erstellte Deckenschmuck die noch Anfang des 20. Jahrhunderts herrschende unkritische Bejahung der Wissenschaft und Forschung wieder. Schon seit Beginn der Aufklärung galt die Wissenschaft – insbesondere die Naturwissenschaft – primär als gut, als Wohltäter der Menschheit und als treibende Kraft für die geistige und moralische Entwicklung der menschlichen Gesellschaft.
Inzwischen hat der immer rasantere Fortschritt der Wissenschaft innerhalb der letzten Jahrzehnte der Menschheit nicht nur ein besseres Leben und neue Einsichten in die Geheimnisse der Natur und des Universums gebracht, sondern auch die Erkenntnis, dass nicht alle diese Errungenschaften positive Folgen haben. Mit der Entdeckung der Kernkraft begann die Ära der Massenvernichtungswaffen, Antibiotika erwiesen sich als segensreiche Waffe gegen Infektionen, schaffen aber auch immer mehr resistente Bakterienstämme, die Nutzung von Energie aus fossilen Brennstoffen erleichtert das tägliche Leben, droht aber, das Klima der Erde zu verändern.
Je komplexer die Systeme werden, die der Mensch erforscht und in die er eingreift, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich unvorhergesehenen Folgen ergeben, dass sich ein Eingriff verselbstständigt. Bill Joy: „Jede Veränderung solch eines Systems löst eine Kette von Reaktionen aus, die sich nur schwer voraussehen lassen, das gilt besonders für Systeme, in denen menschliches Handeln eine Rolle spielt.“ Wissenschaftliche Forschung und vor allem die Anwendung dieser Forschung wird damit zu einem zweischneidigen Schwert.
Stand: 21.08.2001