Die Mauer der Burg von Tiryns ist gut sieben Meter dick und besteht aus riesigen Steinblöcken. Man erkennt die Ungeheuerlichkeit des Baus erst, wenn man sich nach der Passage des torlosen Haupteingangs im Inneren des Burgareals wiederfindet. Nach einem Richtungswechsel erreicht man das Haupttor und betritt, noch geblendet vom gleißenden Tageslicht, einen engen, dunklen und bedrohlichen Torweg, dessen Wände aus kyklopischen, rohen, unbehauenen Steinen bestehen.

Es geht bergauf, der Weg verengt sich weiter und führt tiefer ins Dunkel. Starke Gerüste stützen hier die noch stehenden Teile der einst mächtigen Mauer, damit sie sich nicht weiter in Schieflage neigt. „Liminale Punkte“ nennt Maran die Punkte erzwungener Richtungswechsel, die den Weg ins Innere des Palastes zu einer rituellen Expedition machen sollen.
Der Weg gehört zum Ritual
Mit jedem Wechsel steigert sich die symbolische Aufladung des Weges. Irgendwann werden die Steine kleiner, das Mauerwerk feiner, und plötzlich ist die kultivierte Zone erreicht, in der lebhaft farbige Fresken von großer Schönheit dem Besucher genau das zeigten, was ihn selbst herführte: eine Prozession zum Allerheiligsten im Zentrum des Palastes.
Dadurch soll sich der Überlieferung nach vor den Augen weniger Eingeweihter am zentralen Herdfeuer die Gottheit manifestieren und mit dem König und der Königin vereinen. „Es ist das Innerste der Königsideologie“, sagt Maran. Bilder der Könige gibt es indessen nicht. Wichtig war allein das Ritual, dessen Abläufe in allen Einzelheiten strengstens einzuhalten waren. „Die ganze Anlage war dafür bis ins kleinste Detail maßgeschneidert“, erklärt Maran.