In Aachen ist die Nutzung der Erdwärme eigentlich nichts Neues: Nach den Römern genoss auch schon Karl der Große im 9. Jahrhundert die natürlichen warmen Quellen. An mehr als 30 Stellen tritt bis zu 70°C heißes und schwefelhaltiges Wasser an die Erdoberfläche. Als Kurstadt dürfte sich die ehemalige Kaiserpfalz heute eigentlich „Bad Aachen“ nennen, doch wird hierauf zumeist verzichtet. Nun erreicht diese zweitausendjährige Geschichte der heißen Quellen ihren vorläufigen Höhepunkt. Denn ein Neubau der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule RWTH bezieht demnächst seine Heizenergie ausschließlich aus einer geothermischen Anlage.
„Super C“ nennen die Betreiber das neue zentrale Service-Center für die über 30.000 Studenten liebevoll. Bis Frühjahr 2007 sollen die Bauarbeiten für das Hightech-Gebäude am Stadtrand von Aachen dauern. Doch bereits seit dem Sommer 2004 laufen die Bohrungen für die Erdwärmesonde mit einer geplanten Tiefe von 2.500 Metern. 1.937 Meter waren Ende Oktober bereits geschafft, und wer will, kann sogar live dabei sein. Mehr als 10.000 Besucher zählten die Betreiber bereits bei ihren täglichen Bohrloch-Führungen. Und wer sich nicht vor Ort die Füße staubig machen möchte, für den gibt es sogar eine Webcam im Internet.
Tiefe Erdwärmesonde
Das Prinzip einer solchen Erdwärmesonde ist relativ einfach: Kaltes Wasser wird über ein doppelwandiges Rohr in die Tiefe gepumpt und erwärmt sich dabei langsam am heißen Gestein. Über ein isoliertes Förderrohr in der Mitte des Bohrlochs wird das dann auf fast 80°C erhitzte Wasser wieder nach oben transportiert und fließt direkt in das Heizsystem des „Super C“. Der Clou im Untergrund: Durch den Temperaturunterschied zwischen dem heißen Gestein und dem kühlen Förderrohr kommt ein physikalisch verursachter kontinuierlicher Wärmefluss in Gang. Entsprechend braucht sich die gespeicherte Wärmeenergie des Untergrundes nicht irgendwann auf, sondern erhält ständig „Nachschub“ aus einem geschätzten Radius von 250 Metern rund um die Bohrung.
Um eine optimale Wärmeleitung zwischen dem Gestein und den Leitungsrohren zu erzielen, ist der äußere Stahlmantel in extrem wärmeleitenden Bohrzement eingefasst. Als Nebeneffekt verhindert diese Hülle zudem die Korrosion durch die sehr salzhaltigen Thermalwasser und dient gleichzeitig als nachhaltiger „Auslaufschutz“. Schließlich soll die als geschlossenes System konzipierte Anlage mindestens die nächsten dreißig Jahre funktionstüchtig bleiben.
Heizenergie im Überfluss
Rund 450 Kilowatt Leistung sind für das kleine Heizkraftwerk an der Oberfläche anvisiert, das damit rund 80 Prozent des gesamten Wärme- und auch Kältebedarfs des Service-Centers decken wird. Dies entspricht immerhin dem Heizbedarf von ungefähr 200 Einfamilienhäusern. Während der winterlichen Heizperiode durchläuft das heiße Tiefenwasser im so genannten Kaskadensystem Konvektoren sowie Decken- und Fußbodenheizungen. Im Sommer hingegen stellt eine Adsorptionskältemaschine die Gebäudekühlung sicher.
Jährlich, so die Prognosen, erspart die RWTH der Umwelt damit mehr als 300 Tonnen Kohlendioxid. Denn diese Menge würde umgerechnet beim Bezug der Energie aus herkömmlichen Energiequellen wie Erdöl oder Braunkohle entstehen. Also nicht nur ein technischer Erfolg, sondern auch ein Beitrag zum Klimaschutz?
„Förder“-Bohrung
Zweifellos, doch was ist im Gegenzug mit den Kosten? Auch hier gilt wie bei fast allen Geothermie-Projekten: Ohne öffentliche Förderung wäre wohl keinen Meter in die Tiefe gebohrt worden. Die Erdwärmesonde in Aachen wird im Wesentlichen durch Mittel aus dem LIFE III Programm der EU und des Landes Nordrhein-Westfalen bestritten. Nach Angaben der Betreiber kostet die gesamte Anlage schätzungsweise 5,1 Millionen Euro.
Als Pilotprojekt gilt das „Super-C“ jedoch bereits vor Inbetriebnahme als wegweisend. Denn schätzungsweise 60 Prozent aller EU-weiten Kohlendioxidemissionen gehen auf das Konto der Beheizung öffentlicher Gebäude. Da die Minderung der CO2-Emissionen ein wichtiges umweltpolitisches Ziel der EU ist, unterstützt sie ganz bewusst solche Demonstrationsanlagen für Großgebäude. Bleibt zu hoffen, dass diese in naher Zukunft auch ohne Fördergelder rentabel arbeiten können.
Stand: 12.11.2004