Knapp 15 Jahre reicht das Nordseeöl maximal noch für den europäischen Bedarf – eine gleichbleibende Fördermenge vorausgesetzt. Die Abhängigkeit vom fossilen Brennstoff aus dem Nahen Osten droht für die Zeit danach wieder dramatisch zu wachsen. Auch beim Erdgas hat Europa Probleme, genügend Nachschub an Rohstoffen zu erhalten. Im Jahr 2010 fehlen zehn Prozent, 2020 bereits 30 Prozent zur ausreichenden Versorgung von Industrie und Bevölkerung, so die Prognosen. Aber nicht nur Europa braucht dringend Nachschub an fossilen Energieträgern, auch andere westliche oder westlich orientierte Industrieländer suchen händeringend nach Alternativen zur Abhängigkeit von den gewaltigen Reserven der OPEC-Staaten.
Zum Eldorado für diese Bemühungen – so scheint es – könnte innerhalb der nächsten Jahre und Jahrzehnte die Kaspi-Region werden. In diesem Gebiet inmitten der russischen Steppe und gerade auch im Boden unter dem Kaspischen Meer wurden in den letzten Jahren gewaltige Erdöl- und Erdgasfelder entdeckt. Deren Erkundung und Ausbeutung würde nicht nur die marode Finanzen der Anrainerstaaten und der Ölmultis füllen, sie könnten auch die westlichen Industrieländer jahrzehntelang mit billigem Treibstoff und Heizungsenergie versorgen.
Chevron, BP-Amoco, Unocal, Statoil, Exxon, Elf Aquitaine, Shell und auch deutsche Firmen wie e.on – alles was in der Öl- und Gasbranche Rang und Namen hat, beteiligt sich deshalb an dem Wettlauf um die ergiebigsten Rohstoffquellen und die besten Marktpositionen in der Kaspi-Region.
Zwar sind die bisher bekannt gewordenen Rohstoffreichtümer rund um den See im Vergleich zu den Reserven im Nahen Osten eher „Peanuts“, doch die Experten von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzen das Potenzial an Kohlenwasserstoffen in diesem Gebiet auf immerhin doppelt so groß wie das der Nordsee. Andere Wissenschaftler sind da noch weit optimistischer: Sie gehen von Vorräten in einer Größenordnung von mindestens 20 Milliarden Tonnen schwarzem Gold allein im Offshore-Bereich im Norden des Sees aus.
Aber die Kaspi-Region hat nicht nur Erdöl- und Erdgas zu bieten. Anrainerstaaten wie Kasachstan gehören auch zu den Top-Bergbaunationen. Steinkohle, Uran, Eisenerz, Asbest, aber auch Chromit, Titan, Bauxit oder Baryt, der Boden in der Kaspi-Region quillt teilweise schier über von mineralischen Rohstoffen, die auf dem Weltmarkt begehrt und teuer gehandelt werden
Stand: 07.11.2001