So einzigartig die Lebenswelt der Unterwasserhöhlen von Bermuda ist, so bedroht ist sie auch. Denn immer mehr Höhlen und ihre Bewohner werden Opfer menschlicher Aktivitäten: Viele werden zugeschüttet, um darüber Hotels zu errichten, oder um Kalkstein abzubauen. Andere werden als Müllkippen missbraucht und unwiederbringlich verseucht.
„Bermuda ist eines der zehn am dichtesten besiedelten Länder der Erde – und hat die größte Anzahl privater Jauchegruben pro Kopf“, sagt Tom Iliffe. Die ungeklärte Entsorgung der Abwässer und anderer Abfälle in Gruben, Löcher und Höhleneingänge kontaminiere das Grundwasser und das Wasser der Höhlen mit Lösungsmitteln, Schwermetallen, Nitraten und Arzneimittelrückständen. Und selbst die Höhlen, die touristisch genutzt werden, sind teilweise gefährdet: „Viele der Touristen sehen die klaren Unterwassertümpel als natürlich Wunschbrunnen an und werfen Geldmünzen hinein“, erklärt Iliffe. Das Kupfer in diesen Münzen löst sich im Salzwasser schnell auf und kann in Höhlen mit wenig Wasseraustausch giftige Konzentrationen erreichen.
„In Bermuda sind bereits 25 Arten von Höhlentieren in die höchste Gefährdungsstufe der Roten List eingestuft“, sagt Tom Iliffe. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Arten aussterben liege bei 50 Prozent. Gerade die Lebewesen der Salzwasserhöhlen seien besonders gefährdet, da sie oft nur aus einer einzigen Höhle bekannt seien und kaum in andere Lebensräume ausweichen können.
Zugeschüttet für einen Steinbruch
Ein Beispiel für eine Höhle, die dem Bauboom Bermudas zum Opfer fiel ist die Government Quarry Cave: 1969 stießen Bohrungen unter einem Kalksteinbruch auf eine große Höhle 18 Meter unter dem Meeresspiegel. Nähere Erkundungen zeigten, dass die Höhle aus zwei Salzwasserpools bestand. Einer davon stand mit einem ausgedehnten Netzwerk von Spalten und Gängen in Verbindung, die bis in 24 Meter Tiefe reichten – damit ist dies bis heute eine der tiefsten bekannten Höhle der Bermudas. Forscher vermuten, dass ab 30 Metern Tiefe der Kalkstein von vulkanischen Grundgestein abgelöst wird. Dieser Übergang gilt daher als die tiefste Ebene, in der noch Kalksteinhöhlen zu finden sind.
Doch bevor das Innenleben der Government Quarry-Höhle näher erkundet werden konnte, wurde sie zerstört: „Große Mengen von Schutt und anderen Trümmern wurden in den 1980er Jahren absichtlich mit Bulldozern in die Höhlenseen geschüttet, um sie zu füllen, bevor der Abbau des Kalksteins im darüber liegenden Steinbruch weiterging“, erzählt der Meeresgeologe Steve Blasco vom Geological Survey of Canada. Als Folge wurde nicht nur der unmittelbar unter dem Steinbruch liegende Höhlenteil zerstört, über die Wasserverbindungen drangen auch Schadstoffe in benachbarte Höhlensysteme ein. Sie machten den einstigen Lebensraum vieler Höhlentiere zur sauerstoffarmen, schwefelhaltigen Todeszone.
Nadja Podbregar
Stand: 18.11.2011