Schlammvulkane an Land gelten als relativ gut erforscht, doch ihre ozeanischen Verwandten stellen die Wissenschaftler weltweit vor Rätsel. Denn erst seit einigen Jahren lassen sich diese mithilfe verbesserter Tauchtechnologien untersuchen. Den bislang größten Expeditionsmarathon musste wohl der Schlammvulkan Håkon Mosby auf dem norwegischen Kontinentalsschelf über sich ergehen lassen. Die Forscher interessiert vor allem sein Ausstoß an Methan – ein Treibhausgas, das rund zwanzigmal klimawirksamer ist als Kohlendioxid.
Treibhausgase am Meeresgrund
„Weltweit wird die Zahl der untermeerischen Schlammvulkane auf mehrere tausend geschätzt“, erklärt Eberhard Sauter, Geochemiker am Alfred-Wegener-Institut. „Ihr Beitrag zum globalen Methanhaushalt kann also durchaus wichtig sein.“ Insgesamt stoßen die Schlammvulkane nach Schätzungen der Forscher rund 30 bis 35 Megatonnen im jährlichen Mittel aus. Doch diese Hochrechnung beruht lediglich auf den Daten von rund 160 Schlammvulkanen. Allein am Håkon Mosby erreichen jährlich einige hundert Tonnen Methan die obere Wassersäule und gelangen von dort in die Atmosphäre.
Erstmals wurden die aufsteigenden Methanblasen im Jahr 2003 beobachtet. Mithilfe zahlreicher Sonarmessungen erarbeiteten daraufhin Wissenschaftler des deutschen Alfred-Wegener-Instituts und des französischen Meeresforschungsinstituts IFREMER eine exakte Tiefenlinienkarte des Gebiets. Diese bathymetrische Karte diente als Grundlage für die Auswahl der Stellen, an denen mithilfe eines Roboter-Greifarms Bodenproben genommen werden konnten. Die Analyse soll unter anderem klären, wie die geologischen Bedingungen die Methanfreisetzung beeinflussen, ob der Austritt von Methan zeitlichen Schwankungen unterliegt und welchen Auswirkungen dies auf die Lebensgemeinschaften hat.
Buntes Treiben in der Tiefsee
So schädlich das Methan auch in der Atmosphäre für das Klima sein mag, am Meeresboden ist es eine Quelle des Lebens. Denn ähnlich einer Oase in der Wüste versorgen die Gasaustritte an Schlammvulkanen eine Reihe von Organismen mit den nötigen Nährstoffen. Dies reicht von einzelligen Archaeen, über Bakterien und Bartwürmern bis hin zu Muscheln. Damit ähneln sie in ihrer Funktion als „Paradies für Kleinstlebewesen“ den Schwarzen Rauchern der Tiefsee.
„Der aktive Austritt von Methan und anderen Fluiden an submarinen Schlammvulkanen liefert Energie, Nahrung und Substrat für hoch spezialisierte Organismengemeinschaften, die ein eigenes Tiefsee-Ökosystem bilden“, erklärt Gerhard Bohrmann vom MARUM_DFG-Forschungszentrum Ozeanränder der Universität Bremen die hohe ökologische Bedeutung der Schlammvulkane. „Verschiedene biogeochemische Reaktionsabläufe charakterisieren diese Oasen der Tiefsee: der Verbrauch von Methan durch Sulfatreduktion, die Schwefelwasserstoff-Chemosynthese und die Kalkausfällung.“
Damit stehen die hoch spezialisierten Mikroorganismen am Anfang einer wichtigen marinen Nahrungskette. So entdeckten beispielsweise Wissenschaftler des IFM-GEOMAR im Jahr 2005 zusammen mit amerikanischen Kollegen einen riesigen Wald aus Bartwürmern am Meeresgrund vor Costa Rica. Über eineinhalb Meter hoch ragen ihre Wohnröhren vom Boden auf und bedecken eine Fläche von zwei Fußballfeldern. Immerhin handelte es sich damit um eine der größten bekannten und dichtesten Ansammlungen dieser Tiere weltweit. Schnell war klar: Grundlage dieses bunten Treibens in rund 1.000 Metern Tiefe bilden die Methanaustritte eines Schlammvulkans.
„Bartwürmerkolonien und Muscheln nutzen über die Chemosynthese den Schwefelwasserstoff als Energiequelle. Sie siedeln – mit zum Teil sehr üppigem Wachstum – genau dort, wo die Fluide am Meeresboden austreten“, erklärt Bohrmann den Mechanismus. Auf diese Weise schaffen es die Organismen, fernab von Sonnenlicht zu überleben. Im Golf von Mexiko konnten sogar Bartwurmkolonien mit einem Alter von mehr als 250 Jahren nachgewiesen werden. Da Bartwürmer sesshaft sind und auf ein konstantes Nahrungsangebot angewiesen sind, spricht dies für äußerst konstante Gasaustritte an dieser Stelle.
Stand: 01.06.2007