Eine besonders wichtige Rolle spielt für die Honigbienen der Geruchssinn: Die Tiere besitzen deutlich mehr Duftrezeptoren als beispielsweise die Fruchtfliege Drosophila. Als 2006 das Genom der Honigbiene vollständig sequenziert wurde, fand man allein 164 Gene, die für Duftrezeptoren kodieren. Sie bilden damit bei Weitem die größte Genfamilie im Honigbienengenom.
Gelernt schon nach dem ersten Mal
Bienen prägen sich einen Blütenduft sehr schnell ein, wie Verhaltensexperimente zeigen: Schon
eine einzige belohnte Präsentation eines Duftes reicht aus, um bei den Tieren noch über mehrere Stunden im Gedächtnis zu bleiben und die entsprechende Reaktion auszulösen. Fünf Lernakte reichen bereits, um ein Langzeitgedächtnis zu bilden.
Was hierbei im Gehirn der Biene geschieht, ist inzwischen gut erforscht, denn dieses Lernverhalten lässt sich hervorragend unter Laborbedingungen untersuchen. So streckt eine Biene, die bei einem bestimmten Duft eine Fütterung mit Zuckerwasser erwartet, bereits den Rüssel heraus, wenn sie nur den Duft wahrnimmt. Diese so genannte Rüsselreflexkonditionierung wurde erstmalig 1957 im Labor von Karl von Frisch in München beschrieben. Seither wurde dieses Paradigma vielfach erweitert.
Bienen meistern auch komplexe Aufgaben
Es zeigte sich, dass die Bienen sogar in der Lage sind, auch komplexe, nicht-elementare Lernaufgaben zu meistern. Beim so genannten positiven Patterning lernen die Tiere beispielsweise die Regel, dass ein Duft nur in einem Duftgemisch Belohnung signalisiert, nicht aber alleine. Auch die so genannten nicht-assoziativen Lernformen können die Forscher mit Hilfe von Duftversuchen studieren.
Bei diesen Lernformen findet keine neue Verknüpfung zwischen einem Reiz und einer Reaktion statt. Stattdessen werden bereits existierende Verknüpfungen verstärkt oder aber verlieren ihre Wirkung. Typische Beispiele dafür sind Gewöhnung (Habituation), Entwöhnung und die Sensitisierung, eine kurzfristige Verstärkung der Reaktionsbereitschaft. Während einer Gewöhnung führt die wiederholte Stimulation mit dem Reiz zu einer allmählichen Abnahme der Reaktion.
Modellorganismus
Die besonderen Lern- und Gedächtnisleistungen der Honigbiene begründen sich in ihrer sozialen Lebensweise und machen die Biene zu einem herausragenden Modellorganismus der Neuroethologie, der Wissenschaft von der neuronalen Steuerung des Verhaltens. Die Wissenschaftler machen sich diese besonderen Leistungen für ihre Forschungen zunutze: Zum einen untersuchen sie in Freilandexperimenten die Orientierungsleistungen bei Sammelflügen.
Arbeiterinnen besuchen während ihrer Sammelflüge weit entfernte Nektarquellen (Trachten) und kehren auf kürzestem Weg in den Stock zurück. Sie navigieren viele Male am Tag zwischen
Nest und Futterquelle hin und her und nutzen dafür den Sonnenkompass mit eingebauter circadianer
Uhr und ein Landkartengedächtnis. Zum anderen analysieren sie das Duftlernen an der Blüte experimentell im Labor und klären so die zellulären und molekularen Mechanismen der Duftkonditionierung auf.
Forschung Frankfurt / Bernd Grünewald, Christof Schneider und Stefan Fuchs
Stand: 05.02.2010