Singen können die Seekühe nicht. Im Gegensatz zu ihren griechischen Namensgeberinnen, den Sirenen der Odyssee, die Odysseus und seine Gefährten durch ihre lockenden Gesänge beinahe ins Verderben stürzten, beschränken sich ihre Lautäußerungen auf Grunz- und Schmatzgeräusche.
Schön im herkömmlichen Sinne sind sie auch nicht. Die Seekühe sind große, walzenförmige Wassersäugetiere, die ihr ganzes Leben im Wasser verbringen. Die zwei Gattungen, die bis heute überlebt haben – Dudongs, die Gabelschwanzseekühe und Manatis, die Ruderschwanzseekühe -, kommen ausschließlich in tropischen Gewässern vor. Drei Arten der friedlichen und nicht sehr schnellen Manatis existieren noch: der westindische, der westafrikanische und der Amazonas-Manati.
Die Seekühe verbringen ihr gesamtes Leben im Wasser. Sie bewohnen flache Buchten, Flussmündungen und Lagunen sowie größere Flüsse und halten sich vor allem in Küstennähe auf. Als einzige der wasserbewohnenden Säugetiere sind sie reine Vegetarier, die sich von Algen und Seegras, aber auch von Süßwasserpflanzen ernähren, und die sich sechs bis acht Stunden pro Tag ausschließlich mit der Nahrungsaufnahme beschäftigen. Was auch notwendig ist, da das Tier ein Kilogramm Pflanzen pro zehn Kilogramm Körpergewicht benötig, und ausgewachsene Bullen ein Körpergewicht von einer Tonne aufweisen können.
Die Tiere haben eine sehr geringe Reproduktionsrate. Lediglich alle drei Jahre bekommt ein erwachsenes Weibchen ein Kalb, mit dem es zum Säugen an die Wasseroberfläche aufsteigt. Vielleicht sind auf diese Weise Geschichten von Seejungfrauen entstanden, die ihre Kinder nähren.
Die dritte Gattung, die den Sirenen zuzurechnen ist, existiert heutzutage mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr. 1741 entdeckte Kommandant Vitus Bering nach einem Schiffbruch auf den später nach ihm benannten Bering-Inseln und Kupferinseln eine gigantische Seekuh-Art, gegen die ihre heutigen Verwandten wahre Zwerge sind. Während der längste vermessene Dudong 2,90 Meter aufweist, sollen Exemplare dieser Sirene bis zu neun Meter lang gewesen sein und 4.000 Kilogramm gewogen haben. Dem mitreisenden deutschen Zoologen Georg Wilhelm Steller ist zu verdanken, dass zumindest detaillierte Beschreibungen des Tieres überliefert wurden.
Die Tiere waren langsam, friedfertig und leicht zu erbeuten. Die der Expedition von Bering folgenden russischen Robbenjäger jagten die Seekühe wegen ihres Fleisches und des Öls im Übermaß. Nur 27 Jahre nach ihrer Entdeckung war die Steller´sche Seekuh ausgerottet. Heute sind nur noch wenige Skelett- und Hautreste in Museen von ihr übriggeblieben.
Auch die bis heute überlebenden Seekühe sind mittlerweile in ihrer Existenz bedroht. Ihren beschränkten Lebensraum macht der Mensch ihnen zunehmend streitig. Wasserverschmutzung und Motorboote, die die dicht unter der Wasseroberfläche äsenden Tiere nicht bemerken und schwer verletzen können, führen zum Teil zu drastischen Rückgängen der Populationen. Die Manatis in Florida sind mittlerweile offiziell anerkannt als gefährdete Art.
Stand: 15.09.2006