Sao Paulo, eine gigantische und chaotische Stadt in Südamerika. Angeblich ist hier der wahre Großstadtdschungel zu finden, nicht im geordneten, schachbrettartigen New York. Nach Tokio und Mexiko-City ist Sao Paulo zur Zeit der drittgrößte urbane Ballungsraum der Welt. Allerdings ist verläßliches Zahlenmaterial für diese Mega-Cities, die sich wie Kraken immer mehr von ihrem Umland einverleiben, rar. So geben die Vereinten Nationen für Mexiko-City 15,6 Millionen Einwohner an. Die meisten Experten schätzen aber, dass es inzwischen circa 25 Millionen Einwohnern sind. Und einige befürchten sogar, dass die 30 Millionen-Grenze nicht mehr weit entfernt sein kann.
Die Zukunft Sao Paulos sieht, aufgrund von Wachstumsprognosen, ähnlich aus: Zurzeit liegt die Einwohnerzahl für den Großraum zwischen 16 und 18 Millionen, das sind so viele Einwohner wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen leben, und mehr als 10 Prozent aller Brasilianer. In 30 Jahren werden es voraussichtlich 26 Millionen sein.
Die dramatische Bevölkerungszunahme verursacht zahlreiche Probleme, wie zum Beispiel das ungeplante und ungehinderte Wachstum der Elendsviertel, den so genannten Favelas. Die Slums wachsen in Sao Paulo teilweise vertikal und die restliche Stadt mit ihren Gebäuden wirkt nicht wie ein Festkörper, sondern scheint in ständiger Bewegung zu sein. Außerdem ist Sao Paulo eine Stadt mit gefährlich hohen Umweltbelastungen sowie permanent wachsender Kriminalität, vor allem in den Armenvierteln. Vor kurzem überflügelte die Stadt sogar Rio de Janeiro mit der erschreckenden Bilanz von jährlich 60 Morden pro 100.000 Einwohner.
Sao Paulo ist der „Taktgeber Brasiliens“: Denn die Stadt ist Sitz der größten und wichtigsten Unternehmen des Landes, nahezu ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts wird hier erwirtschaftet und die industrielle Produktionskapazität ist die bedeutendste in ganz Lateinamerika. Gemeinsam mit Buenos Aires stellt Sao Paulo das Herzstück des 1993 gegründeten Mercosul dar, einem wirtschaftlichen Zusammenschluß von Brasilien, Argentinien, Chile, Uruguay und Paraguay. Zahlreiche internationale Unternehmen, darunter auch viele deutsche Firmen, sind hier angesiedelt und machen Sao Paulo so zu einem der weltweit bedeutendsten Wirtschaftsstandorte und dem wichtigsten industriellen Standort der Dritten Welt.
So ist es auch nachvollziehbar, dass Entwicklung und Wohlstand ganz Brasiliens stark von der Leistungsfähigkeit Sao Paulos, der heimlichen Hauptstadt des Landes, abhängen.
Sao Paulo ist typisch für das restliche Brasilien, weil das ganze Land einen extremen Verstädterungsgrad hat – Anteil der in Städten lebenden Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung des Landes -, das höchste sogar in ganz Lateinamerika. Er stieg innerhalb von 50 Jahren von 31 (1940) auf 76 Prozent (1991). Die gesamte Stadtbevölkerung hat in dem selben Zeitraum um etwa 110 Millionen zugenommen. Während dieser Prozeß zu Beginn aus den Land-Stadt-Wanderungen resultierte, wird er heute so gut wie nur noch durch die natürlichen Zuwachsraten bestimmt.
Ein Unterschied existiert zwischen Brasilien und den übrigen lateinamerikanischen Ländern, denn hier nehmen mit Sao Paulo und Rio de Janeiro weder Hauptstadt, noch Regierungssitz, die Vorreiterrolle der alles überragenden Metropolen ein.
Stand: 19.05.2001