Längst werden erste Produkte bereits mit Hilfe der Biotechnologie hergestellt. Das bekannteste Beispiel sind moderne Waschmittel. Dank Enzymen wird das aufwändige Kochen der Wäsche überflüssig. Die Flecken gehen schon bei niedrigen Temperaturen heraus. Das hilft Energie und Wasser sparen. Aber auch bei der Herstellung von Ethanol, Citronensäure oder Aminosäuren haben sich in den vergangenen Jahren biotechnologische Verfahren etabliert. Nach und nach werden immer mehr petrochemische Prozesse durch biotechnologische ersetzt. Experten erwarten, dass die Chemieindustrie bereits im Jahr 2010 etwa 20 Prozent ihres Umsatzes (300 Mrd. US Dollar) mit Hilfe der Weißen Biotechnologie erwirtschaften wird.
Wirtschaftlich und umweltfreundlicher
Doch ist die Umstellung auch wirtschaftlich? Die Unternehmensberater McKinsey & Company meinen, ja. In einer Studie (2003) gehen sie davon aus, dass sich durch die Weiße Biotechnologie weltweit Kosten von insgesamt bis zwölf Milliarden Euro pro Jahr einsparen lassen. Bei konventionellen Verfahren wird oft bei hohem Druck und hohen Temperaturen gearbeitet. Mikroorganismen und Enzyme arbeiten dagegen unter Normalbedingungen im wässrigen Milieu. Das macht teure Sicherheitstechnik überflüssig.
Weitere Vorteile: Die Weiße Biotechnologie spart Syntheseschritte ein, vermindert Emissionen, senkt den Rohstoff- und Energieverbrauch und belastet die Umwelt deutlich weniger. Das hilft, die Produktionskosten drastisch zu reduzieren, wie das Beispiel Vitamin B2 (Riboflavin) zeigt. Bis 1990 stellte die BASF das Vitamin in einem komplexen mehrstufigen petrochemischen Prozess her. Nun wird Riboflavin in einer einstufigen Fermentation aus Sojaöl produziert. Die Umstellung machte sich für das Unternehmen bezahlt: Die Abfälle gingen um 95 Prozent zurück, die CO2-Emission um 30 und der Ressourcenverbrauch um 60 Prozent. Insgesamt sanken die Kosten für die Vitamin-B2-Herstellung um 40 Prozent.
Noch mit Hürden: Abschied vom Erdöl
Einfach wird die Umstellung jedoch nicht werden. Denn noch sind fast alle industriellen Verfahren ganz auf die Nutzung von Erdöl ausgerichtet. „Man hat sich in den vergangenen 50 bis 60 Jahren auf die Erdölchemie fokussiert. Hier hat man es mit einer konzentrierten Forschungs- und Entwicklungsarbeit geschafft, sehr viele kostengünstige Produkte herzustellen. Diesen Vorsprung muss man nun bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe aufholen“, meint Görge Deerberg, wissenschaftlicher Direktor vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT.
Die Fraunhofer-Gesellschaft bündelt deshalb ihre Aktivitäten jetzt in einer strategischen Forschungsallianz. Das Thema „Industrielle Weiße Biotechnologie – Die Natur als chemische Fabrik“ ist auch eine der zwölf Perspektiven für Zukunftsmärkte. Von diesen Technologiefeldern werden in besonderem Maß marktrelevante Innovationen erwartet. Die Arbeiten auf dem Gebiet der Weißen Biotechnologie koordinieren Prof. Hirth vom ICT und Prof. Dr. Rainer Fischer vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME. „Unser Ziel ist es, die gesamte Prozesskette abzubilden – von der Pflanze bis zum fertigen Produkt“, beschreibt Hirth die umfangreiche Aufgabenstellung.
Stand: 02.02.2007