15 Milliarden Tonnen Sand werden jährlich weltweit aus der Natur – an Land und am oder im Meer – abgebaut. Der Meeressand eignet sich aufgrund seiner oft unregelmäßig geformten, eher eckigen Körner, an die der Zement optimal anhaften kann, meist sehr gut für die Herstellung von zum Beispiel Beton. Für den Abbau kommen oft riesige schwimmende Saugbagger zum Einsatz, deren Rüssel bis zu 150 Meter in die Tiefe reichen.
Der Sand aus der Wüste, der besser verfügbar wäre, eignet sich wegen seiner glatten, runden Körnerform für viele Einsatzgebiete nicht, so dass, wo keine anderweitigen Sand- und Kieslagerstätten verfügbar sind, Sand aus dem Meer verwendet wird.
Zerlöchert und aufgewirbelt
Die Folgen des Abbaus für die Ökosysteme sind oft verheerend: Die Saugrüssel wirbeln das Sediment mitsamt seinen Bewohnern auf und hinterlassen Löcher im Meeresgrund. Und die Ozeane reagieren empfindlich auf Veränderungen: Von der Wasseroberfläche bis hinein ins Sediment stören die Bagger eine komplexe Abfolge von Schichten.
„Schon der Vorgang des Sandabsaugens stellt einen Störfaktor dar: Sandstaubfahnen verbreiten sich kilometerweit um die Abbaustelle, das Sediment lagert sich an anderer Stelle wieder ab, wo es eigentlich gar nicht hingehört und wo es die dortige Sedimentzusammensetzung verändert oder die dort lebenden Bodenorganismen begräbt“, sagt Martin Wahl. Er ist Meeresbiologe am Helmholtz-Zentrum für Meeresforschung GEOMAR in Kiel und Mitglied des dort angesiedelten Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“.
Kettenreaktion im Ökosystem
In Saudi-Arabien beobachtete Wahl, wie ein komplettes Riff abstirbt, weil durch den Sandabbau fremdes Sediment die Korallen bedeckt. In anderen Regionen werden Algen und Seegräser mit Sand bedeckt und ersticken. In seinem Forschungsgebiet, der Meeresökologie, beschäftigt sich Wahl auch mit Stressfaktoren im Ökosystem. „Algen und Seegräser sind essentiell für die Ozeanhygiene. Sie binden Kohlendioxid und produzieren Sauerstoff. Wird eine Fläche von zehn Quadratmetern abgesaugt, ist das noch kein Problem – sind es aber zehn Quadratkilometer, wird es zum großen Problem.“
Tiere, die am Meeresboden leben – Schnecken, Würmer, Stachelhäuter oder kleine Krebse – beziehen ihre Nahrung aus den oberen lichtdurchfluteten Schichten des Meeres. Diese sogenannte bentho-pelagische Kopplung – die Aufnahme und Abgabe von Nährstoffen an der Grenze Sediment – Wasser – ist ein wichtiger Prozess im globalen Kohlenstoffkreislauf. Denn auf diese Weise wird das an der Meeresoberfläche durch Photosynthese gebundene CO2 in die Sedimente am Meeresboden transportiert.
Verschlechtern sich die Lebensbedingungen für die Tiere im Sediment, wandern sie ab. Das löst eine Kettenreaktion aus: „Weil die kleineren Lebewesen die Nahrung für größere Fische bilden, wandern diese ebenfalls aus dem Gebiet ab. Und so weiter. Am Ende der Kette stehen die Fischer, die in ihren angestammten Gebieten nichts mehr fangen“, sagt Wahl.
Mareike Knoke / Helmholtz Perspektiven
Stand: 03.02.2017