Der Mensch ist das Tier, das die Oberfläche dieses Planeten am gründlichsten umgestaltet: Wir holzen Wälder ab, legen ganze Küstengebiete trocken, bedecken riesige Flächen mit Beton, Asphalt, Stahl und Glas und verändern sogar das Klima des Planeten. Was aber bleibt von diesen Spuren unseres Wirkens in 100 Millionen Jahren? Was bleibt von unseren Städten?
Begraben im Schlick
Zalasiewicz betrachtet diese Frage in seinem Buch „Die Erde nach uns“ am Beispiel einer Küstenstadt wie New Orleans. Sie wird ähnlich wie Amsterdam oder Venedig, vermutlich schon in den nächsten Jahrhunderten vom steigenden Meeresspiegel überflutet und allmählich im Sediment versinken. Zalasiewicz: „Spulen wir nun die Zeit um ein paar Millionen Jahre vor. Unsere ehemaligen Küstenstädte liegen jetzt tief begraben unter der Erde. Vergraben unter Schichten von Schlick und Sand, die an einigen Stellen einige hundert Meter dick sein können, werden unsere gemauerten Wohnstätten und deren Inhalte allmählich zerquetscht, flach gedrückt und verdreht, durch das Gewicht der über ihnen angehäuften Milliarden Tonnen schweren Sedimentschichten.“
Besonders stabile Bauwerke jedoch, wie beispielsweise besonders dicke Betonwände oder Bunker könnten dies vermutlich überstehen, vor allem dann, wenn sie auch im Inneren mit stabilisierenden Ablagerungen gefüllt werden. „Somit werden alle Gegenstände, die sich in diesen Hohlräumen befinden – stehen gelassenen Möbel, Tassen und Untertassen, Maschinen jeglicher Art – davor bewahrt, zermahlen zu werden und können, zumindest äußerlich, ihre dreidimensionale Form beibehalten.“
Chemie verändert Materialien
Allerdings wirken in diesen Schichten dann nicht nur mechanische Kräfte, auch die Chemie vieler Bestandteile ändert sich. Kunststoffmoleküle zerbrechen und ihre Kohlenwasserstoffe trennen sich von den übrigen Bestandteilen. Aus durchsichtigen Plastikbechern werden so allmählich immer dunkler gefärbte, schließlich sogar schwärzliche Klumpen. Ein Teil von ihnen könnte in großer Tiefe unter hohen Drücken und Temperaturen zu Erdöl werden, ein anderer zu Graphit, erklärt Zalasiewicz.
Auch Glas bleibt nicht auf Dauer transparent. Die erstarrten Schmelzen von Quarz und anderen mineralischen Komponenten kehren in den stabileren Kristallzustand zurück – sie „entglasen“. Dadurch entsteht Felsit, ein blasses, undurchsichtiges Gestein. „Einmachgläser, Milchflaschen und Fensterscherben werden in 100 Millionen Jahren fast durchweg milchig weiß und undurchsichtig sein“, so Zalasiewicz. Die meisten Metalle werden im Laufe der Zeit oxidieren, Eisen wird beispielsweise zu Eisenoxid oder Eisensulfid. Stähle, die durch Legierungen von Chrom, Molybdän oder Vanadium gegen Korrosion geschützt wurden, könnten besser standhalten – wie lange, weiß allerdings niemand. Unklar ist auch, wie lange Aluminium und Titan, beide von Natur aus sehr korrosionsbeständig, erhalten bleiben werden.
Mehr Reste von „Urbanschicht“ als vom Menschen
Klar scheint jedoch, dass die Forscher in ferner Zukunft vermutlich mehr und bessere Relikte von unseren Bauten und Ballungsräumen finden werden als von uns selbst. „Alles ist denkbar – aufgeweichtes Ziegelwerk, unregelmäßige Strukturen aus Eisenoxid und Sulfiden (die einmal Gegenstände aus Eisen waren), Autos, Kalaschnikows, entglaste weiße Bruchstücke von Glaskrügen und Flaschen, zu Kohle gewordene Holzschnitzereien, Grundrisse von Tunnels, Röhren und Straßenfundamenten, riesige Müllgruben voller Schutt und Abfall“, sagt Zalasiewicz.
Nach Ansicht des Geologen werden nicht wenige dieser Dinge nach ihrer Ablagerung in der Tiefe der Nachwelt erhalten bleiben. „Wenn unsere zukünftigen Forscher auf diese Dinge stoßen werden, wird sich ihnen eine wahre Goldgrube an Möglichkeiten zur Erkundung, Deutung und Fehldeutung auftun“, so Zalasiewicz. „Für sie wird eine paläo-archäologische Schatzsuche beginnen, die Suche nach der uralten Geschichte einer lange vergangenen Intelligenz.“
Nadja Podbregar
Stand: 04.12.2009