Die Rudel der Rothunde bestehen aus fünf bis zwölf, selten auch bis zu 30 Tieren im fortpflanzungsfähigen Alter. Sie leben meist im Wald, halten sich aber gerne am Wasser, auf Wegen und Lichtungen auf.
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Soziales Miteinander
Das Alpha-Weibchen und die Jungen, die im Bau – einem Erdloch oder einer Felsnische – zurückbleiben, werden vom Rudel mitversorgt. Rothunde können Fleischportionen wieder hervorwürgen. Oft bezieht während der Jagd ein „Wächter“ am Bau Position. Zum sozialen Wesen der Tiere gehört auch, dass alle Erwachsenen aus dem Rudel den Jungen Futter bringen, mit ihnen spielen und sie bewachen.
Die Weibchen werden einmal im Jahr trächtig – meist ein Privileg des Alpha-Weibchens. Nach neun Wochen bevölkern fünf bis acht Junge den Bau, im Extremfall ein Dutzend. Ab der vierten Woche kommt zur Muttermilch erstmals Fleisch, in der sechsten Woche beginnt die Entwöhnung. Nach einem Vierteljahr begleitet der Nachwuchs erstmals das Rudel bei der Jagd, mit 15 Monaten sind Rothunde voll ausgewachsen. Ihre übliche Lebenserwartung beträgt acht bis zwölf Jahre, in Gefangenschaft sind es bis zu 16.
Rothunde beim Jagen beobachtet
Der indische Biologe Asir Jawahar Thomas Johnsingh von der Nature Conservation Foundation im zentralindischen Mysore hat als junger Wissenschaftler in den 1970er Jahren Rothunde im Bandipur Nationalpark in den Western Ghats erforscht. Eine bahnbrechende Arbeit – es war damals die erste Feldstudie eines indischen Wissenschaftlers zu freilebenden Tieren überhaupt.
Dort konnte der Biologe oft beobachten, wie die eher schmächtigen Hunde im Rudel übermächtige Beutetiere von mehr als 200 Kilogramm Gewicht erlegten. Rothunde, deren Fell je nach Region zwischen rotbraun und sandfarben-orange changiert, erreichen allenfalls 50 Zentimeter Schulterhöhe. Die Rüden wiegen ausgewachsen etwa 20 Kilogramm, die Weibchen maximal 15 Kilo. Mal sah Johnsingh zwei Rothunde eine Axis-Hirschkuh reißen, mal ein Trio ein mächtiges Sambar-Hirschkalb.
Jagd mit verteilten Rollen
Bei der Jagd, die meist während der Dämmerung stattfindet, sind die Rollen verteilt. Einige Hunde treiben, andere liegen auf der Lauer, der Alpha-Rüde attackiert zuerst. Oft wird das Opfer ins Wasser getrieben, um es dort zu überwältigen. Einen „Todesbiss“ gibt es nicht. Die Hunde weiden ihre Beute aus und fressen sie, während sie noch lebt.
Das Beutetier stirbt durch Schock oder Blutverlust. Vom ersten Körperkontakt bis zum Tod eines 50 Kilo schweren Hirsches vergingen keine zwei Minuten, weiß Johnsingh. Von dem, was übrig bleibt, profitierten vor allem Dickschnabelkrähen, aber auch Wildschweine, Stachelschweine, Streifenhyänen, Schakale und herumstreunende Dorfhunde.
Ökologisch haben die Rothunde eine wichtige Funktion: Sie verhindern Überweidung durch Pflanzenfresser. Johnsingh hat 1992 im Bandipur Nationalpark ermittelt, dass 80 Prozent der gerissenen Pflanzenfresser von Rothunden erlegt worden waren. Für Menschen stellen die Wildhunde keine Gefahr dar, allenfalls bei Tollwutbefall. Johnsingh hat sich Rothunden bis auf wenige Meter nähern können, um einen Riss zu untersuchen. Die Hunde, berichtet er, wichen nur kurz zurück und fraßen dann weiter. „Trotzdem hat kein anderes Wildtier Indiens solch unverdiente Verfolgung durchleiden müssen wie der Rothund.“
Kai Althoetmar
Stand: 09.09.2016