Raben und ihre Verwandten gehören mit zu den intelligentesten Vertretern der Vögel. Sie zeichnen sich durch ein erstaunlich flexibles Verhalten und große Lernfähigkeit aus. Rabenvögel übertreffen die meisten anderen Vogelfamilien, mit Ausnahme der Papageien, an Intelligenzleistungen und schneiden in vielen kognitiven Verhaltensexperimenten sogar ähnlich gut ab wie Menschenaffen.
Bereits Mitte des letzten Jahrhunderts haben führende Verhaltensforscher wie Eberhard Gwinner, Konrad Lorenz und Gustav Kramer, die auch das Max-Planck-Institut in Seewiesen essenziell geformt und geprägt haben, auf die Sonderstellung der Familie der Rabenvögel hingewiesen. Zu den rund 120 Arten dieser Familie gehören neben der größten Spezies, dem Kolkraben (Corvus corax), auch kleinere Arten wie zum Beispiel Saatkrähen (Corvus frugilegus), Rabenkrähen (Corvus corone) und Elstern (Pica pica). Raben verpaaren sich fürs Leben und sind auf einen verlässlichen Kooperationspartner angewiesen, beispielsweise für die Aufzucht ihrer Jungen oder die Verteidigung ihres Territoriums. Unter anderem deshalb haben sie eine vergleichsweise lange Phase der Partnerwahl.
Umfangreiches Lautrepertoire
Das sehr umfangreiche Vokalisationsrepertoire der Kolkraben umfasst ein- bis mehrsilbige Laute, die an Kolken, Grunzen, Rülpsen, Knarren, Knacken, Sirren und an helle Xylophonklänge erinnern. Bei der Balz führen die Rabenmännchen verschiedenen Flugmanöver durch und äußern dabei verschiedene Rufe, die wie „klong“, „raok“ oder „oang“ klingen. Raben sind außerdem in der Lage, die Rufe anderer Vogelarten sowie menschliche Stimmen und Umweltgeräusche nachzuahmen, und entwickeln paarspezifische Vokalisationen.
Wie Biologen feststellten, passen Kolkraben ihre Stimmlage auch je nach Beziehung zu einem Artgenossen an. Auf fremde Raben reagieren sie mit deutlich tieferer und rauerer Stimme als auf ihnen vertraute Artgenossen. Ihnen aus früheren Begegnungen als ‚freundlich‘ bekannte Raben werden zudem mit höherer Stimme begrüßt als ihnen als ‚unfreundlich‘ bekannte Individuen.
Gwinner unterstrich bereits 1964, dass Raben nicht nur in ihren
Lautäußerungen, sondern auch im Bereich des Ausdrucksverhaltens
erstaunliche Flexibilität besitzen. Dieses erlaubt es ihnen, die eigenen Bewegungen und Bewegungsabläufe zu proben, zu modifizieren, zu revidieren, sie neu zu kombinieren und in neuen Kontexten zu verwenden. Dennoch wurde dieser Teil der Rabenkommunikation lange Zeit nicht systematisch untersucht. Ein Projekt der Humboldt-Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut in Seewiesen hat dies nun geändert.
Simone Pika, Max-Planck-Institut für Ornithologie
Stand: 13.07.2012