Nicht nur dem Namen nach ähnlich sind sich „Earth Liberation Front“ (ELF) und „Animal Liberation Front“ (ALF). Wie die ELF ist auch die ALF mehr Bewegung als Organisation – jeder kann und soll mitmachen. Die ALF ist Teil der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung. Deren Anhänger arbeiten und kämpfen gegen Missbrauch und Misshandlung von Tieren sowie für die Gleichberechtigung von Tieren gegenüber dem Menschen. Das FBI jedoch sieht auch in der ALF eine terroristische Bedrohung.
Grundsätzlich gewaltfrei?
Jede direkte Aktion kann unter dem Namen der ALF geschehen, solange sie die Ziele der Tierbefreier fördert und grundsätzlich gewaltfrei bleibt. Letzteres wird allerdings unterschiedlich interpretiert: Die meisten Aktivisten beschränken sich auf Demonstrationen, friedliche Blockaden und öffentliche Aufklärungsarbeit.
Einbrüche in Tierställe, Brandstiftung und Sachbeschädigung gegen Tierlabore, Pelzfarmen und deren Teilhaber und Unterstützer sind jedoch auch bei Tierbefreiungen und Protestaktionen im Namen der ALF keine Ausnahmen. Der US-Aktivist Rod Coronado, der sowohl für ELF und ALF als Sprecher arbeitete, betont jedoch, dass im Unterschied zu tatsächlichen Terroristen die ELF- und ALF-Anhänger nie jemanden verletzt haben.
Mehrere Schritte weiter ging dagegen eine Kampagne gegen das britische Forschungsunternehmen Huntingdon Life Sciences (HLS). Die private Firma führt in ihren Laboren im Auftrag von beispielsweise Pharma- und Kosmetik-Unternehmen Tierversuche durch. In den meisten Fällen soll damit getestet werden, wie verträglich oder möglicherweise giftig ein neues Produkt ist, aber auch die Sicherheit älterer Produkte wird so überprüft. „HLS testet alles, für jeden“, heißt es auf der Website der Protestkampagne „Stop Huntingdon Animal Cruelty“ (SHAC).
Ruin für Tierquäler
Die SHAC-Tierrechtler setzten von 1999 bis 2014 alles daran, HLS in den Ruin zu treiben. Ausgangspunkt waren in den Jahren zuvor heimlich aufgezeichnete Filme von Aktivistinnen, unter anderem von der Tierrechtsorganisation PETA, die sich als Angestellte in das Unternehmen eingeschlichen hatten. Die Aufnahmen zeigen, wie HLS-Angestellte die Versuchstiere misshandeln und unter tierquälerischen Bedingungen halten. Besonderen Zorn erregten die Bilder eines Angestellten, der einem Beagle-Welpen ins Gesicht schlägt.
SHAC-Aktivisten attackierten jedoch nicht nur die Firma HLS selbst. Als Schwachstelle machten sie jeden aus, der irgendwie mit dem Forschungsunternehmen zusammenarbeitete. Vor allem Angestellte, Aktionäre und Kunden des Forschungsunternehmens sahen sich schweren Angriffen gegenüber, aber auch Banken und Lieferanten fanden sich im Visier der Tierrechtler. Nicht nur in Großbritannien, auch auf dem europäischen Festland und besonders im Umfeld der US-amerikanischen HLS-Niederlassung flammten Proteste auf.
Mit Briefbomben und Rufmord
Die Methoden: Neben Demonstrationen und Blockaden setzten die Aktivisten auch Brandstiftung, Briefbomben, Gewalt und Rufmord ein. Kunden und Angestellte sollten schnellstens ihre Geschäfte oder ihr Arbeitsverhältnis mit HLS beenden, wenn sie nicht im Internet als angebliche Kinderschänder angeprangert werden wollten. Maskierte Angreifer verprügelten einen der Manager der Firma und kündigten an, das sei erst der Anfang – es sei denn, er kündige. Fensterscheiben von HLS-Mitarbeitern gingen reihenweise zu Bruch, Autos gingen in Flammen auf. Darüber hinaus veröffentlichten die SHAC-Aktivisten mehrfach Namen, Adressen und Telefonnummern von HLS-Angestellten, Kunden und Lieferanten, zusammen mit dem Aufruf „Go, get ‚em!“ – „Schnappt sie euch!“
Das rigorose Vorgehen wirkte: Die Bank of Scotland beendete eingeschüchtert die Zusammenarbeit mit HRS, der Kurs der HRS-Aktien brach nach kurzer Zeit ein. Bloßgestellte Kunden sprangen ab, entweder weil sie ihre Firmenpolitik tierfreundlicher umgestalten wollten oder schlicht um dem Zorn der Tierrechtler zu entgehen. Nach wenigen Jahren musste sogar die britische Regierung den HRS-Konzern vor der Pleite retten.
„Protest ist kein Verbrechen“
Allerdings bleiben auch die Aktionen der SHAC-Anhänger nicht ungeahndet: 2006 verurteilte ein Gericht in den USA sechs Aktivisten zu Haftstrafen von drei bis sechs Jahren. In Großbritannien, Belgien und den Niederlanden verhaftete die Polizei im Jahr 2007 in der groß angelegten „Operation Achilles“ insgesamt 32 Personen, die mit SHAC in Verbindung standen. Sieben erhielten Gefängnisstrafen von vier bis elf Jahren.
Auch hier kritisierten Aktivisten das in ihren Augen überzogene Vorgehen von Polizei und Regierung. Sowohl die USA als auch Großbritannien hatten bereits zuvor Gesetze erlassen, die dem Staat mehr Möglichkeiten gegen radikale Protestaktionen geben sollten. Insbesondere Firmen, die mit Versuchstieren handeln oder arbeiten, sollen mit dem US-amerikanischen „Animal Enterprise Terrorism Act“ (AETA) vor Ökoterroristen geschützt werden.
Der britische „Serious Organized Crime and Police Act“ (SOCPA) dagegen gibt der Polizei größere Möglichkeiten, schon bei Demonstrationen an bestimmten öffentlichen Orten Verdächtige zu Verhaften. Nach Ansicht der Tierrechtler stellen diese Gesetze einen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung dar, die direkten Aktionen werden zu Unrecht kriminalisiert – „Protest is kein Verbrechen“.
Aktion beendet – die nächste kommt bestimmt
Dennoch erklärten die Tierrechtler als Reaktion auf die Verhaftungen und anschließenden Gerichtsurteile die SHAC-Kampagne im August 2014 schließlich für beendet. „Unter dem Ansturm der Repressalien durch die Regierung gegen Tierrechts-Aktivisten in Großbritannien ist es Zeit, unsere Methoden und Hindernisse sowie die Schwächen unserer Gegner neu zu bewerten“, heißt es in der Stellungnahme auf der SHAC-Website.
Der Kampf für die Freiheit der Versuchstiere ist demnach vermutlich alles andere als vorbei: „Mit dem Feuer der Befreiung und Gerechtigkeit im Herzen schauen wir in die Zukunft“, heißt es. Die abschließende Frage „Was werden wir als nächstes tun?“ klingt denn auch wie eine Drohung.
Ansgar Kretschmer
Stand: 31.10.2014