Was befindet sich unter den Bandagen einer Mumie? In welchem Zustand ist ihr Körper? Sind die inneren Organe erhalten? Wie alt war der mumifizierte Mensch, als er starb? Wie kam er zu Tode? An welchen Krankheiten litt er während seines Lebens? Mumien faszinieren die Menschen seit jeher – und ebenso vielfältig und schier endlos scheinen die Fragen, die man an Mumien stellen kann. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieben diese zumeist unbeantwortet. Es sei denn, man wagte es, die Unversehrtheit der vor Tausenden von Jahren konservierten Körper zu verletzen, ihnen Proben zu entnehmen und sie dabei womöglich zu zerstören.
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Dies änderte sich erst mit der Nutzung von Röntgenstrahlen. Sie erlaubten es erstmals, in Körper hineinzublicken, ohne sie zuvor aufzuschneiden. Die Faszination, die Mumien auf Menschen und insbesondere auf Wissenschaftler ausüben, war wohl auch der Grund dafür, dass Röntgenstrahlen bereits ein Jahr nach ihrer Entdeckung (1895) durch Wilhelm Conrad Röntgen verwendet wurden, um eine aus Ägypten stammende Mumie zu untersuchen: Im Jahr 1896 veröffentlichte der Physiker Carl Georg Walter König seine Arbeit unter dem Titel „14 Photographien von Röntgen- Strahlen aufgenommen im Physikalischen Verein zu Frankfurt a. M.“. König hatte mit den Röntgenstrahlen eine ägyptische Kindermumie durchleuchtet.
Computertomografie blickt unter die Bandagen
Die bildgebenden Verfahren haben sich seither erheblich weiterentwickelt. Ein Meilenstein war die Einführung der Computertomografie, kurz „CT“, in den 1970er-Jahren. Sie erlaubt es, mithilfe von Röntgenstrahlen und unterstützt von Computern überlagerungsfreie Schnittbilder zu erzeugen, das Körperinnere also gleichsam in aufeinanderfolgende Scheiben zu zerlegen Auch diese Methode wurde rasch genutzt, um in Mumien hineinzuschauen. Die CT-Technik hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig verbessert. Heute ist es innerhalb weniger Sekunden möglich, den gesamten Körper einer Mumie mit all seinen Knochen und inneren Organen dreidimensional und detailgetreu in Schichten von weniger als einem Millimeter Dicke darzustellen.
Das erlaubt tiefgehende Einblicke und lässt nicht nur beantworten, ob der mumifizierte Mensch weiblichen oder männlichen Geschlechts war, welche Krankheiten und Verletzungen er erlitten hat und woran er gestorben ist. Es lassen sich auf Grundlage der CT-Daten des Schädels einer Mumie mit speziellen Programmen auch digitale Gesichtsrekonstruktionen anfertigen, die es möglich machen, sich an das Lebensbild eines längst verstorbenen Menschen anzunähern.
Eine Hürde auf dem Weg zu einer derartigen Detailtreue war lange Zeit, die unterschiedlichen Gewebearten in Mumien zu differenzieren und körpereigenes Gewebe von fremdem Material zu unterscheiden, das zur Mumifizierung in Körperhöhlen eingebracht worden war. Ein Beispiel: Über die Zeit hinweg verändern sich die Knochen, sie demineralisieren. Durchleuchtet man demineralisierte Knochen mit der herkömmlichen Röntgentechnik, erscheinen sie, als wären sie aus Glas. Von Fremdmaterialien, etwa auf die Körperoberfläche aufgetragenen Harzen, lassen sich die Knochen dann nicht mehr sicher unterscheiden.
aus Ruperto Carola, dem Forschungsmagazin der Universität Heidelberg von Thomas Henzler, Heather Gill-Frerking, Wilfried Rosendahl und Christian Fink
Stand: 16.12.2011