Aber nicht nur die Bodenschätze der hydrothermalen Schlote bergen ein großes Potential für eine kommerzielle Ausbeutung, auch die in und an den Rauchern lebenden Organismen könnten für die Biotechnologie und Pharmaindustrie zur Goldgrube werden. Durch die Anpassung an die geradezu höllischen Lebensbedingungen der Vents – schwefelhaltiges Wasser, kaum Sauerstoff, enormer Druck und „höllische Temperaturen“ – eröffnen die Schlotbewohner der Tiefsee Wissenschaft und Industrie völlig neue Perspektiven für die Lösung einiger der dringendsten Probleme der Erdoberfläche.
Die an den Schwarzen Rauchern gefundenen Schwefelbakterien beispielsweise gehören zu den widerstandsfähigsten Organismen der Welt. Hochgiftige Chemikalien und radioaktiv strahlendes Material, das allen anderen Lebewesen sofort den Garaus machen würde, verspeisen sie sozusagen „zum Frühstück“. Und nicht nur das, sie wandeln das Ganze sogar noch in Energie um. Wenn es gelänge, die Schlotbakterien auch unter den Bedingungen der Erdoberfläche zu kultivieren, könnten diese Giftfresser – einmal freigesetzt – ganze Landstriche von radioaktiver Verseuchung befreien, giftige Abwässer reinigen und mit Schwermetallen durchsetzten Boden säubern.
Aber ihr potentieller Nutzen erstreckt sich keineswegs nur auf die Abfallbeseitigung. Große Hoffnungen knüpfen Forscher vor allem an die speziell angepassten Enzyme der hitzeliebenden Schlotbewohner. Während normale Enzyme, wie alle Eiweißverbindungen, schon bei Temperaturen von 40 – 50 °C denaturieren und damit ihre Wirksamkeit verlieren, sind die sogenannten Extremozyme auch bei größerer Hitze noch stabil. Dadurch können enzymgesteuerte Reaktionen heißer und damit gleichzeitig schneller ablaufen. Entscheidende Prozesse der Biotechnologie wie die für das Klonen von DNA eingesetzte Polymerase-Kettenreaktion (PCR) würden damit entsprechend beschleunigt und somit effektiver.
Auch das Risiko von Verunreinigungen bei biochemischen Reaktionen ließe sich deutlich herabsetzen, da sich bei höherer Temperatur alle unerwünschten Eiweiße und Enzyme zersetzen und die Extremozyme so „ungestört“ ihre Arbeit verrichten können. Praktischen Nutzen könnte dies beispielsweise bei der Produktion von Biocomputerchips finden.
Auch die Medizin möchte sich von den „Wesen der Unterwelt“ einiges abschauen. Die Riesenbartwürmer der Schwarzen Raucher sollen beispielsweise dabei helfen, die tödliche Eisenmangel-Erkrankungen beim Menschen besser zu verstehen und vielleicht eines Tages sogar zu heilen. Für die Bekämpfung von bisher noch unheilbaren Infektionskrankheiten oder gegen die gegen konventionelle Mittel bereits resistenten Erregern erhofft man sich neue Heilmittel aus den Tiefen des Meeres.
Aber auch diese „schöne neue Welt“ der Wundermittel könnte zu Lasten der bisher noch weitgehend ungestörten Tiefseeökosysteme gehen. Gefragt ist hier in jedem Falle eine möglichst verträgliche Lösung, die intensive Forschung mit einem schonenden Umgang mit den wertvollen Ressourcen verbindet…
Stand: 22.08.2000