Die Luke schließt sich, und langsam beginnt das Tauchboot Alvin zu sinken. 100 Meter, 500 Meter, 1000 Meter – das Licht wird immer schwächer, es wird kalt. 2000 Meter, 2500 Meter unter der Meeresoberfläche: In dieser Tiefe ist auch das letzte bisschen Licht verschwunden, es herrscht absolute Dunkelheit. 250 Kilogramm lasten jetzt auf jedem Quadratzentimeter der Außenhaut des Tauchboots, die Wassertemperatur liegt bei ungemütlichen 2 °C. Durch ein Bullauge betrachtet erscheint der Meeresboden in dieser Tiefe öde und leer. Eintönig erstreckt er sich im Licht der starken Unterwasserscheinwerfer.
Doch plötzlich ändert sich das Bild dramatisch: Ein Rücken zerklüfteter Gesteinsformationen türmt sich auf, die Wassertemperatur schnellt in die Höhe und Turbulenzen lassen das Tauchboot schwanken. Aus zahlreichen Schloten scheint dunkler Rauch in die Höhe zu steigen und am Fuß dieser Schlote wimmelt es vor Leben – eine Fata Morgana? Nicht ganz.
Geologen an Bord des Forschungs-U-Boots Alvin waren die ersten, die 1977 am Meeresgrund vor den Galapagos Inseln das seltsame Phänomen der „Schwarzen Raucher“ entdeckten. Schon seit 1972 war zwar bekannt, dass an einigen Stellen des Meeresbodens heißes Wasser aus dem Untergrund austritt, gesehen hatte diese Unterwassergeysire jedoch bis dahin noch niemand. Entsprechend überrascht waren die ersten Beobachter: Statt kahler karger Vulkanschlote entdeckten sie ausgedehnte Kolonien seltsamer, bisher unbekannter Tierarten, umspült vom warmen, mineralhaltigen Wasser, das aus zahlreichen Öffnungen im hügeligen Meeresboden drang.
Die Entdeckung der Galapagos-Schlote warf mit einem Mal alle festen Vorstellungen über die Geologie des Meeresbodens und der Tiefsee über den Haufen. Stattdessen ergaben sich eine ganze Reihe neuer Fragen. Mit was für einem Phänomen hatte man es zu tun? Woher stammten diese „Schornsteine am Meeresgrund“? Wie waren sie entstanden? Eine fieberhafte Forschungstätigkeit setzte ein, die noch immer nicht abgerissen ist. Bis heute tauchen Wissenschaftler wieder und wieder in die Tiefen des Meeres, um mehr über die geheimnisvollen Schlote der Tiefsee zu erfahren.
Inzwischen weiß man immerhin, dass die hydrothermalen Schlote vor allem an den mittelozeanischen Rücken liegen, dort, wo durch aufsteigendes heißes Magma aus dem Erdinneren neuer Meeresboden gebildet wird. In den letzten Jahrzehnten wurden rund um den Globus hunderte weitere Felder mit solchen unterseeischen „Schornsteinen“ entdeckt. Und selbst diese – so glauben die Forscher – machen nur ein Prozent der möglicherweise weltweit vorhandenen „Raucher“ aus.
Typischerweise gruppieren sich die einzelnen „Vents“, wie die Schlote auch genannt werden, zu Clustern, ähnlich wie es auch die Geysire des Yellowstone Parks tun. Die größten dieser Felder, wie beispielsweise das TAG-Feld am Mittelatlantischen Rücken, sind so groß wie ein Fußballfeld. In ihm liegt auch der höchste bisher entdeckte Schwarze Raucher, sein Schlot reicht knapp 50 Meter hoch und hat einen Durchmesser von gut 180 Metern. Solche Riesen tragen inzwischen meist mehr oder weniger fantasievolle Namen wie „Godzilla“, „Eiffelturm“ „Lucky Strike“ oder auch „Schlangengrube“.
Stand: 22.08.2000