Anabolika? Ein alter Hut. Aufputschmittel? Ebenso. Epo? Auch längst bekannt und zumindest teilweise nachweisbar. Der Kampf gegen Doping im Spitzensport ist demnach auf einem guten Weg – sollte man zumindest meinen. Doch deutsche Wissenschaftler haben im Jahr 2008 ein neues „Schreckgespenst“ an die Wand gemalt: Gendoping. Vielleicht noch nicht bei den Winterspielen 2010 im kanadischen Vancouver, aber spätestens für die Zeit danach.
Denn die Forscher vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) sehen in ihrer Studie die akute Gefahr, dass eine Reihe neuer medizinisch-pharmazeutischer Methoden und Verfahren zur illegalen Leistungssteigerung im Sport missbraucht werden könnte.
Vor allem die immer besseren molekularbiologischen Techniken und Kenntnisse über die Funktion von Genen und Zellen werden nach Ansicht der Experten aller Voraussicht nach bereits in Kürze zur Entwicklung neuer Substanzen und Methoden wie Gendoping führen. Damit wäre der Weg frei zu einer neuen „Qualität“ des Dopings.
Über hundert „Fitness-Gene“ bekannt
Gendoping ist der Missbrauch von gen- und zelltherapeutischen Verfahren einerseits und der Missbrauch von Methoden zur gezielten Manipulation der Genaktivität durch hochspezifische Medikamente andererseits. Über hundert „Fitness-Gene“ kennen die Wissenschaftler und Trainer bereits. Ein zukünftiger Missbrauch wird laut dem TAB vor allem darauf abzielen, Muskulatur aufzubauen, den Körper besser mit Sauerstoff zu versorgen und die Energiebereitstellung zu verbessern.
Keine Indizien für „Sportlerzüchtung“
Ausgangspunkt für das Projekt war die Frage, ob sich unsere Sportler bald im Genlabor auf die Olympischen Spiele vorbereiten. Das TAB hat bisher keine Hinweise dafür gefunden, dass Szenarien von Menschenselektion oder -manipulation für sportliche Leistungssteigerungen in absehbarer Zukunft technisch machbar wären. Medizinische Forschungsansätze zielen bisher nur auf die Behandlung kranker Menschen. Nebenwirkungen und potenzielle Risiken wegen der missbräuchlichen Verwendung durch gesunde, zum Teil physisch extrem belastete Sportler seien hingegen kein Gegenstand medizinischer Forschung, so das TAB auf einer öffentlichen Sitzung des Sportausschusses und des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am 12. März 2008 in Berlin.
Nachweis aufwändig
Die derzeitige Dopingsituation lasse jedoch vermuten, dass sich einzelne Sportler auch durch unbekannte gesundheitliche Risiken und mögliche Nebenwirkungen bis hin zum Tod nicht abschrecken lassen. Darüber hinaus würden einzelne Athleten nicht warten, bis eine wissenschaftlich fundierte Arzneimittel- oder Therapiezulassung vorliege.
„Ein entscheidender Faktor, der die Anwendung von Gendoping begrenzen kann, ist die Nachweisbarkeit“, stellt Dr. Katrin Gerlinger, die Leiterin des Projektes Gendoping beim TAB, fest. „Durch die steigende Vielfalt der Dopingmöglichkeiten wird ein Nachweis mindestens so aufwändig wie bisher, wahrscheinlich sogar noch viel aufwändiger.“
Stand: 12.02.2010