Neben der Pest gab es viele Infektionen, die eine große Rolle in der Evolutionsgeschichte der Menschheit gespielt haben. Hier sind unter anderem auch Darminfektionen zu nennen. In Sizilien wurde in den 1990er-Jahren eine alte Grabstätte in einer Höhle mit etwa 300 Choleraopfern des 19. Jahrhunderts geöffnet und ausgewertet. Die aufgefundenen Knochen sind einzigartig, da kaum andere Skelette von Choleraopfern in Europa zu finden sind.
Tot in 24 Stunden
Bei der Cholera handelt es sich um eine Darminfektionskrankheit, die von dem Bakterium Vibrio cholerae hervorgerufen wird. Der Tod der Betroffenen kann innerhalb von 24 Stunden infolge eines massiven Durchfalls eintreten. In den 1980er-Jahren entstand die Theorie, dass Menschen, die Träger der Mutationen im CFTR-Gen, die Zystische Fibrose auslösen (CF oder Mukoviszidose), sind, vor tödlichen Durchfallerkrankungen geschützt seien.
Mukoviszidose, eine Erbkrankheit, bricht dann aus, wenn das mutierte CFTR-Gen homozygot – reinerbig – vorliegt. Bis zu den 1950er-Jahren starben noch die meisten CF-Erkrankten bereits im Säuglings- oder Kindesalter und hatten keine Chance, das geschlechtsreife Alter zu erreichen. Aus diesem Grund müsste die Mutation mittlerweile verschwunden sein. Stattdessen ist Mukoviszidose die häufigste genetische Erbkrankheit in Europa: Ein Individuum von 25 ist potenziell ein Träger dieser schweren Krankheit.
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Über 1.000 Mutationen können CF auslösen
Mehr als 1.000 Mutationen können CF verursachen; die unterschiedlichen Mutationen beeinflussen die Ausbildung des CFTR-Proteins, das im Darm als Chloridkanal fungiert. CF-Heterozygoten, bei denen etwa 50 Prozent des CFTR-Proteins fehlerhaft produziert werden, könnten im Falle einer Cholerainfektion eine höhere Überlebenschance gehabt haben. So erfahren CF-Träger evolutive Vorteile.
Das könnte die Verbreitung der Mutationen erklären. Der Zusammenhang zwischen einem möglichen Resistenzschutz der CF-Träger und der Cholera als Modell wird ebenfalls mithilfe von aDNA-Analyse in unseren Laboren untersucht.
Neolithische Transition
Nach Berichten der Weltgesundheitsorganisation WHO stellen Infektionskrankheiten nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen weltweit dar. Die Mehrheit dieser Infektionen wird ursprünglich von Tieren auf den Menschen übertragen und verbreitet sich mit hoher Virulenz besonders in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte. Diese grundlegenden Bedingungen für den Ausbruch von Epidemien sind vermutlich mit der Sesshaftwerdung des Menschen und der Domestizierung unserer Haustiere entstanden.
Beide Ereignisse sind in Europa zeitlich mit der sogenannten Neolithischen Transition (7.000 – 5.000 Jahre vor unserer Zeit) verbunden. Daher ist es von besonderem Interesse, solche Mutationen in prähistorischen Skeletten nachzuweisen. Mit dem Anfang unserer Kultur könnte auch die genetische Infektionsanfälligkeit ihren Anfang genommen haben.
Dr. Barbara Bramanti, Institut für Anthropologie der Universität Mainz / DFG Forschung
Stand: 10.11.2011