Kaum zu glauben aber wahr: Alleine in Europa unterscheiden Wissenschaftler über 10.000 verschiedene Böden. Auch hartgesottene Bodenkundler können da schon einmal den Überblick verlieren, vom interessierten Laien einmal ganz zu schweigen. Abhilfe könnte nun der erste Bodenatlas Europas schaffen, der unlängst von der Europäischen Kommission unter Mitarbeit führender Wissenschaftler aus vierzig verschiedenen Ländern erstellt wurde. Dieser soll mithilfe zahlreicher Karten, Fotos und leicht verständlichen Texten vor allem den europäischen Bodenschutz vorantreiben.
Europäisches und globales Bodenmosaik
Rund 25 Leitbodengesellschaften umfasst die Übersichtskarte des Atlas im Maßstab 1:5.000.000 – auf mehr Details musste aufgrund der Übersichtlichkeit verzichtet werden. Doch auch so ist die europaweite Verteilung der Böden gut zu erkennen. So bedecken Podsol, Braunerden, Pseudogley und Rohböden wie Ranker und Rendzina fast sechzig Prozent Europas und sind daher mit Abstand die häufigsten Bodentypen. Während der Norden weitgehend einheitlich strukturiert ist, fällt vor allem in Mittel- und Südeuropa der extrem kleinräumige Wechsel der Böden auf. Dieses scheinbare Durcheinander spiegelt die jahrtausendelange Beeinflussung der Entwicklung durch Klima, Ausgangsgestein, Relief und Landnutzung wider.
Auch die weltweite Verteilung der Böden scheint auf den ersten Blick aus einem wirren und ungeordnetem Mosaik zu bestehen. Bei näherer Betrachtung zeichnet sich aber deutlich eine breitenkreisparallele Anordnung ab. So dominieren an den Polargebieten zunächst die Tundrengleyen. Diese werden in den mittleren Breiten zunächst vom Podsol, dann von Braun- und Schwarzerden sowie Kastanoseme und schließlich von unterschiedlichen subtropischen Bodengesellschaften abgelöst. Auch in Afrika ist eine zonale Bodenverbreitung zu erkennen. Während im Norden Afrikas noch die mediterranen Böden, wie zum Beispiel Terra rossa dominieren, werden sie weiter im Süden von Wüstenböden abgelöst. In den wechselfeuchten und feuchten Tropen, folgen dann laterische Böden und die für den tropischen Regenwald typischen Latosole.
Bodenschutz im Wandel
„Der europäische Boden ist eine immens wertvolle, jedoch begrenzt vorhandene Ressource, die geschützt werden muss, um die Lebensmittelsicherheit und die Qualität der Umwelt künftig zu gewährleisten“, erklärt EU-Umweltkommissar Stavros Dimas. Denn ist der Boden durch Verschmutzung, Urbanisierung oder landwirtschaftliche Nebenwirkungen erst einmal zerstört, so verlieren zukünftige Generationen ihre Lebensgrundlage. „Wir unterschätzen eindeutig den Beitrag des Bodens zu unserer biologischen Vielfalt“, ergänzt Mitarbeiter Janez Potocnik. „Aber wenn wir ihn nicht besser schützen, werden wir seine Bedeutung bald auf die denkbar schlechteste Weise erfahren – indem wir mit den Problemen konfrontiert werden, die durch seinen Verlust entstehen.“
Der größte Reichtum Europas liegt demzufolge in seinen sehr ertragreichen landwirtschaftlichen Böden. Trotz dieser intensiven Nutzung gibt es aber immer noch genügend naturnahe Flächen, in denen der Boden eine lebenswichtige Rolle als Bewahrer der biologischen Vielfalt spielt. Um dieses Mosaik aus Nutz- und Naturfläche zu erhalten und vor allem zu verbessern, strebt die EU-Kommission in Zukunft eine gemeinsame europäische Bodenpolitik an. Der Bodenatlas ist ein erster Schritt in diese Richtung und bis Ende 2005 soll sogar eine gemeinsame Boden-Rahmenrichtlinie folgen.
Stand: 22.07.2005