Damit die Agri-Photovoltaik funktioniert, sollten die Solarmodule nicht nur ausreichend Strom erzeugen – sie dürfen auch die Ernteerträge der unter oder neben ihnen angebauten Pflanzen nicht zu stark schmälern. Welche positiven oder negativen Effekte die Kombination von Solaranlagen mit dem Anbau von Gemüse, Obst oder Wein hat, wird in Deutschland schon seit einigen Jahren in mehreren PiIotanlagen untersucht.
Gutes Wachstum trotz Lichteinbußen
Die bisherigen Ergebnisse legen nahe, dass die meisten Nutzpflanzen – von Getreide über Kartoffeln und Gemüse bis hin zu Obst – mit der Agri-Photovoltaik kompatibel sind. Denn selbst wenn die Pflanzen beispielsweise bei hochgeständerten Anlagen bis zu 30 Prozent weniger Licht erhalten, reicht dies für ihr Wachstum meist aus. Der Grund: Die Photosynthese nimmt mit zunehmender Beleuchtung nicht unbegrenzt zu, sondern erreicht ab einer bestimmten Einstrahlung eine Lichtsättigung. Ab diesem Punkt bleibt die Photosyntheseleistung auch bei weiter zunehmender Einstrahlung nahezu konstant. Wo dieser Lichtsättigungspunkt liegt, ist je nach Pflanzenart verschieden, bei Schattenpflanzen liegt er niedriger als bei Sonnenpflanzen.
Nur bei sehr lichthungrigen Pflanzen wie dem Mais kam es auf deutschen Agri-PV-Testflächen zu Ernteeinbußen von mehr als 20 Prozent. Besser geeignet für den Anbau unter Solarmodulen scheinen beispielsweise verschiedene Gemüse, Salat, Hopfen oder Weizen. In der Testanlage in Heggelbach am Bodensee wurde beispielweise erfolgreich eine mehrgliedrige Fruchtfolge aus Kleegras, Winterweizen, Kartoffeln und Sellerie angebaut. Dabei hingen die Erträge stark vom Wetter ab: Im Schnitt gab es gegenüber normalen Anbauflächen zwar leichte Ernteeinbußen, diese lagen aber bei weniger als minus 20 Prozent.
Hilfe gegen den Klimawandel
Im besonders heißen und trockenen Hitzejahr 2018 profitierten die Nutzpflanzen sogar von ihrem Solardach: Bei drei der vier angebauten Kulturen gab es auf den Agri-Photovoltaikflächen höhere Erträge als ohne die Solarmodule. „Wir gehen davon aus, dass die Pflanzen den von Trockenheit geprägten Hitzesommer 2018 durch die Verschattung unter den semitransparenten Solarmodulen besser verkrafteten“, erklärt Andrea Ehmann vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Unter den Solarmodulen blieben Böden und Luft feuchter und kühler als in den voll sonnenexponierten Nachbarflächen.
Damit könnte die Kombination von Anbauflächen mit Solarmodulen sogar dabei helfen, die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen. Denn mit der globalen Erwärmung kommt es auch in Deutschland immer häufiger zu Hitzeperioden und längeren Trockenzeiten. Viele Landwirte mussten dadurch in den vergangenen Sommern Ernteeinbußen in Kauf nehmen oder ihre Felder bewässern.
„Wir sehen in der Agri-Photovoltaik eine langfristige Lösung, um Landwirte dabei zu unterstützen, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen“, sagt Stephan Schindele vom ISE. „Die Tatsache, dass durch die Klimakrise die Durchschnittstemperatur, Wetterextreme, und im Falle von Zentraleuropa auch die Sonneneinstrahlung zunehmen werden, legt nahe, dass das Potenzial einer Schutzfunktion durch PV-Module für Pflanzen in Zukunft größer wird.“
Agri-Photovoltaik in Obstanbau
Relevant ist dies auch im Obstanbau. Schon jetzt müssen dort sensible Früchte wie Kirschen, Beeren, aber auch Äpfel häufig durch Folien und andere Schutzbauten vor zu starker Kälte, vor Sonne oder vor Hagel und Starkregen geschützt werden. Ersetzt man diese Konstruktionen durch Solarmodule, können diese Wetterschutz bieten und gleichzeitig Strom produzieren.
Ein Beispiel für erfolgreichen Obstbau mit Agri-Photovoltaik liefert seit 2019 ein Bio-Beerenobst-Hof in Nordrhein-Westfalen. Dort wurden über den Anbauflächen von Heidelbeeren, Himbeeren, Erdbeeren und anderem Obst hoch aufgeständerte Solarmodule von jeweils 3,50 Metern Breite aufgestellt. Die auf einer Fläche von 70 mal 60 Metern installierte Leistung entspricht 740 Kilowatt. In den ersten Jahren brachten die Beerenkulturen gute Erträge, größtenteils ohne messbare Einbußen.
Gute Chancen auch für Äpfel
Eine weitere Pilotanlage speziell für den Anbau von Obst-Dauerkulturen wie Äpfeln wurde 2021 in Gelsdorf in Rheinland-Pfalz eingerichtet. Auf einer Fläche von 32 mal 111 Metern stehen elf Reihen hoch aufgeständerte Solarmodule mit einer Leistung von 250 Kilowatt. Es soll untersucht werden, wie gut die Modulreihen die Früchte vor schädlichen Umwelteinflüssen wie Hagel, Starkregen, Sonnenbrand, Frost oder extremen Temperaturen bewahren können und wie sich die Agri-Photovoltaik auf die Ernte auswirkt.
Die Chancen stehen aber gut: Es ist bereits bekannt, dass bei manchen Apfelsorten schon 60 bis 70 Prozent des verfügbaren Lichts für optimale Apfelerträge ausreichen. „Nachdem wir in den Niederlanden sehr erfolgreich professionellen Beerenanbau unter Agri-PV realisiert haben, gehen wir in Gelsdorf den wichtigen Schritt Richtung Spalierobst“, erklärt Schindele. „Wir haben erkannt, dass die Potenziale und Synergien für Agri-PV kombiniert mit Apfel, Birnen, Kirschen, Kiwi und weiteren Dauerkulturen beachtlich sein können.“
Solarmodule im Weinberg
Und auch im Weinbau tut sich etwas in Sachen Agri-Photovoltaik: In Frankreich wird die Agri-Photovoltaik im Weinbau bereits seit einigen Jahren staatlich gefördert, dort sind bisher schon rund 40 Megawatt in Planung. 2018 entstand in Tressere am Rand der Pyrenäen die bisher größte europäische Anlage mit nachgeführten Modulen im Weinbau. In Deutschland haben Forschende der Hochschule Geisenheim einen ersten Versuchsweinberg mit hoch aufgeständerten Solarmodulen ausgerüstet.
Weil auch der Weinanbau die Folgen des Klimawandels in besonderem Maße spürt, könnte die Agri-Photovoltaik eine Anpassungsstrategie bieten. Denn schon jetzt kommt es im Weinbau häufiger zu Problemen durch Trockenstress, zu frühe Reife, Sonnenbrand oder auch Starkregenschäden. Die Bedachung durch Solarmodule kann dabei helfen, den heranreifenden Weinreben Schatten zu spenden und sie vor Hagel oder zu starkem Regen zu schützen. Positiv auch: Der durch die Solarmodule erzeugte Strom könnte im Falle gefährlicher Spätfröste auch dazu verwendet werden, die Weinstöcke zu heizen.