Die Aphantasie beeinflusst nicht nur die innere Sinneswelt der Betroffenen, sie hat auch weitreichende Folgen für das Gedächtnis. Denn gerade unser autobiografisches Gedächtnis stützt sich in großem Maße darauf, vergangenen Erlebnisse und Erfahrungen mitsamt aller Sinneseindrücke wiederzuerwecken.

„Sowohl die Erinnerung als auch die Imagination umfasst eine Art ‚Wiedererleben‘ – ein Heraufbeschwören von Sinneseindrücken“, erklärt der Neurowissenschaftler Adam Zeman. Beim Gedächtnis handelt es sich dabei um die Eindrücke vergangener Ereignisse oder Erfahrungen, bei der Imagination um autonome, von konkreten Ereignissen losgelöste Eindrücke.
Fakten ja, Sinneserfahrungen nein
Menschen mit Aphantasie haben daher häufig Probleme mit dem Gedächtnis: Sie erinnern sich nur verschwommen oder abstrakt an vergangene Ereignisse und können die damit verknüpften Bilder und anderen Sinneseindrücke nicht rekapitulieren. „Ich bin unfähig, das Aussehen von Leuten heraufzubeschwören, die ich kenne, oder von Orten, an denen ich war. Ich vergesse sogar, wie meine Liebsten aussehen“, schildert Neesa Sunar im Magazin „Psyche“ die Begleiterscheinungen ihrer Aphantasie.
Tom Ebeyer beschreibt es ähnlich: „Nachdem meine Mutter starb, konnte ich die Erinnerungen an unser gemeinsame Zeit nicht richtig wiedererwecken. Ich kann mich zwar gut an alle Fakten erinnern, an die Sachen, die wir zusammen gemacht haben, aber die dazu gehörenden Bilder fehlen.“ Dieses faktische, eher verbale Gedächtnis bestätigt auch eine Studie von Zeman und seinen Kollegen. In ihr konnten die Testpersonen mit Aphantasie signifikant weniger Details und mit Sinneseindrücken verknüpfte Informationen über ein autobiografisches Ereignis wiedergeben als Kontrollpersonen mit durchschnittlicher Vorstellungskraft.