Das Filchner-Ronne-Schelfeis galt bislang kaum als Sorgenkind der Klimawissenschaft. Die Eisfläche von der Größe Schwedens bedeckt eine Bucht tief im Süden des Weddellmeeres – in einer Region, in der die durchschnittliche Lufttemperatur im Sommer 2016 noch frostige minus 11,4 Grad Celsius betrug.
Aus Richtung Osten, Süden und Westen münden Gletscher in diese Bucht. Sie speisen das Filchner-Ronne-Schelfeis mit Eismassen des Ost- und des Westantarktischen Eisschildes. Diese Eismassen sind der Grund, warum Filchner-Ronne-Schelfeis, die mächtigste permanent schwimmende Eisdecke der Antarktis, an ihrer dicksten Stelle bis zu 1.600 Meter misst
Kaltwasserbarriere unterm Eis
Und die Liste der Superlative geht weiter: An der Unterseite des Filchner-Ronne-Schelfeises zirkulieren die kältesten Wassermassen der Welt. Minus 2,5 Grad Celsius beträgt ihre Temperatur. Flüssig bleibt das Wasser dort nur aufgrund des hohen Drucks in der Tiefe. „Dieses sehr salzhaltige Wasser schützt das Filchner-Ronne-Schelfeis bisher vor dem Abschmelzen“, sagt AWI-Ozeanograph Tore Hattermann.
Es entsteht, wenn im Winter das Meer vor dem Schelfeis gefriert und Salzlauge aus dem Meereis in das darunterliegende Wasser rinnt. Die oberste Schicht des Meerwassers wird dadurch dichter, sinkt ab und bildet auf dem Kontinentalschelf – also vor und unter dem Schelfeis – eine Kaltwasserbarriere. Diese Barriere verhindert bisher, dass wärmeres Wasser aus dem Weddellmeer unter das Schelfeis strömen kann.
Riesen-Kanäle im Eispanzer
Allerdings: Lückenlos scheint dieser Schutz nicht zu sein. Im Jahr 2013 entdeckten Wissenschaftler durch Radarmessdaten von Flugzeugen und Satelliten, dass sich an der Unterseite des Schelfeises mächtige Kanäle ins Eis gegraben haben. Diese von unten ins Filchner-Ronne-Schelfeis hineinragenden Wasserrinnen sind bis zu 250 Meter hoch, 300 Meter breit und mehrere hundert Kilometer lang. Ihre Höhe erreicht damit fast die des Eiffelturms.
Die Forscher vermuteten, dass vom Land einströmendes Schmelzwasser für ihre Bildung eine wichtige Rolle spielt. „Die Eisschelf-Kanäle korrespondieren mit den Austrittsorten von subglazialem Schmelzwasser von der Unterseite der Gletscher“, erklärten sie im Fachmagazin „Science“. Weil das Schmelzwasser weniger salzig ist als das Meerwasser, steigt es auf und zieht dabei wärmeres Wasser mit. Dieses taut die Unterseite des Eisschelfs dann an. Die Wissenschaftler schätzen die Abtau-Rate, mit der diese Kanäle wachsen auf rund fünf Meter pro Jahr.
Doch was bedeutet dies für die Stabilität des Filchner-Ronne-Schelfeises?
Sina Löschke / AWI Klimamagazin
Stand: 09.03.2018