Indien hat 27 Tigerreservate. 1.909 Bengaltiger streifen durch das Land, jeder dritte außerhalb der Reservate. Indien ist die letzte Tiger-Hochburg. Hier könnte sich das Überleben der Art entscheiden. Aber es sieht nicht gut aus. Die ersten Tigerreservate sind schon tigerfrei geschossen. Der Zählappell 2010 strafte so manche für den Tourismus geschönten Bestandszahlen Lügen. Im Schutzgebiet Sariska, 110 Kilometer von Dehli entfernt, wurden alle Tiger getötet. Gleiches Bild im nahen Panna-Nationalpark. Die Kamerafallen lügen nicht.
Um 1900 streiften noch rund 100.000 Tiger durch Asien. Anfang der 1980er Jahre waren es nur noch 8.000. Heute sind es nach Schätzungen des WWF noch 3.200, andere Experten gehen von 4.000 Tieren aus. Längst wird der Tiger von der Weltnaturschutzunion (IUCN) – je nach Unterart – als „vom Aussterben bedroht“ oder „stark gefährdet“ gelistet. „Der Niedergang hält an und könnte unumkehrbar sein“, schreibt die IUCN. Keine einzige Subpopulation – also der Bestand in einer bestimmten Region – mache mehr als 250 Tiere im Fortpflanzungsstadium aus.
Tigerpenis als Potenzmittel
Bis in die 1930er Jahre war es die als Sport verbrämte Jagd weißer Großwildjäger, die die Tiger dezimierte. Von 1940 bis 1980 ließ vor allem die Abholzung der Wälder die Bestände weiter einbrechen. Seit den 1990er Jahren ist die Wilderei, befeuert durch den Handel mit Tigerknochen, die Hauptursache für das Tigersterben. Vor allem in China blüht die Quacksalberei. Tigerprodukte – vom Knochen über die Kralle bis zum Tigerpenis – gelten dort als Allheilmittel, obwohl eine medizinische Wirkung nie erwiesen wurde. Die gestiegene Wirtschaftskraft heizt die Nachfrage an.
Hinzu kommen Siedlungsdruck, Abholzung, Ölpalmplantagen für Schokocreme, Margarine und Fertiggerichte. Dazu „revenge killings“, Tötungen aus Rache: Rattengift oder eine Gewehrkugel für den Tiger, der dem Bauern die Kuh oder den Wasserbüffel gerissen hat.
Eingepfercht auf Farmen statt im Dschungel
Längst gibt es in Gefangenschaft mehr Tiger als in freier Wildbahn. Die meisten gefangenen Exemplare in Texas. Mehr als 2.000 Tiger sollen dort in Hinterhof-Privatzoos dahinvegetieren – ein Folge laxer Tierhaltungsgesetze. Vor allem in China, aber auch in Laos, Vietnam und Thailand werden Tiger auf Farmen gezüchtet und in engen Käfigen gehalten. Auf den rund 20 chinesischen Farmen soll es 5.000 bis 10.000 Tiger geben. Manche Farmen sind für Touristen geöffnet: Gegen Bares lässt man die Tiger vor den Augen des Publikums ein paar Hühner oder eine Kuh reißen.
Die meisten Farmtiger werden jedoch geschlachtet und enden zermahlen als Rheumasalbe, Potenzpille oder Tee. „Tiger-Wein“ aus Knochen, die Flasche zu 120 Dollar, gilt als Statussymbol im Reich der Mitte. Seit 1993 ist der Handel mit Tigerprodukten in China verboten, Korruption macht das Gesetz aber zum Papier-Tiger.
Kai Althoetmar
Stand: 17.05.2013