Hier wurde in den 1960er Jahren die russische Umweltbewegung gegründet, und hier fühlt sich die russische Seele so zu Hause wie nur an wenigen Orten sonst. Der Baikalsee – das ist das „Heilige Meer“ der Russen, und nicht umsonst weckt er, nicht nur bei den Einheimischen, solche Emotionen.
Der älteste, der tiefste
Der Baikalsee ist ein Ort der Superlative – rund 25 Millionen Jahr alt und an der tiefsten Stelle über 1.600 Meter tief. Damit ist er der älteste und der tiefste Süßwassersee überhaupt. Entstanden ist der Baikalsee in einer Riftzone. Genau hier bricht der eurasische Kontinent langsam auseinander, unter stetigem Druck, den der Indische Subkontinent, von Süden herantreibend auf die Eurasische und die Amurische Platte ausübt.
Aus diesem Grund wächst der Baikalsee jährlich um zwei Zentimeter. Aber auch ohne dieses stete Wachstum bildet der See heute das größte Süßwasserreservoir der Erde. Der Baikal hat ungefähr so viel Wasser, wie die fünf Großen Seen in Nordamerika zusammen, etwa 23.000 Kubikkilometer. Das entspricht rund 20 Prozent der Trinkwasserreserven weltweit, und rund 80 Prozent der Reserven Russlands.
Sensibles Ökosystem
Gespeist wird der Baikalsee von 336 Quellen und Zuflüssen. Fast die Hälfte des Zuflusses jedoch stammt aus einem einzigen Fluss, der Selenga, die aus der Mongolei kommt. Den zahlreichen Zuflüssen gegenüber steht nur ein einziger Abfluss, die Angara. Der fehlende Wasseraustausch ist eines der großen Gefahrenpotenziale für den Baikalsee, reagiert er dadurch doch empfindlich auf Schadstoffeinträge, die auf natürlichem Wege kaum wieder „herausgespült“ werden.
Bisher hat der Baikalsee jedwede Verschmutzungen aus Industriebetrieben, die sich seit den 1950er Jahren an seinen Ufern angesiedelt haben, verkraftet. Und das ist umso erstaunlicher, als er eine ungemein große und einzigartige Artenvielfalt birgt. Rund 2.500 Tierarten und 1.000 Pflanzenarten sind im und um den Baikal zu finden. Etwa die Hälfte der Tierarten und ein Drittel der Pflanzenarten sind endemisch, das heißt, sie kommen nur hier vor und nirgends sonst. Dazu gehören beispielsweise die Baikalrobbe, die als einzige Robbenart ausschließlich im Süßwasser lebt, der Omul, ein mit Lachsen und Forellen verwandter Fisch, oder der Baikal-Ölfisch. Rund 30 bis 40 Prozent der Arten im Baikal, so vermuten Wissenschaftler, sind bisher noch gar nicht beschrieben.
„Putzkolonnen“ sorgen für Sauerstoff
Ein Grund für diesen Artenreichtum ist der besonders hohe Sauerstoffgehalt des Baikalwassers, der bis in die größten Tiefen des Sees hineinreicht. Ursache hierfür sind zum einen ganze Heere von Kleinstlebewesen. Der Ruderfußkrebs Epischura baikalensis beispielsweise ist der große „Saubermacher“ des Baikals. Diese ebenfalls endemische Art macht etwa 80 bis 90 Prozent des gesamten Zooplanktons im Baikal. Die winzigen Krebse ernähren sich von Bakterien und Algen und produzieren im Gegenzug Sauerstoff.
Zum anderen sorgen regelmäßige heftige Stürme, als eine Art „Umwälzpumpe“, dafür, dass das oberflächennahe, von den Zuflüssen einströmende sauerstoffhaltige Wasser auch in die tieferen Regionen des Sees hinabtransportiert wird.
Belebtes Delta
Doch auch die Uferzonen und umgebenden Wälder und Steppen machen den Baikal einzigartig. Die aus der Mongolei kommende Selenga hat an der Ostseite des Sees im Laufe von Jahrmillionen einen riesigen Schwemmfächer aus Sedimentfracht, Mitbringsel aus den mongolischen und sibirischen Steppen, gebildet. 15 Kilometer ragt der Schwemmfächer in den Baikalsee, mehr als 800 Meter mächtig und etwa 550 Quadratkilometer groß.
Das hier entstandene Serenga-Delta ist Heimat von Hunderten Tierarten. Insekten, Reptilien, kleine Säuger und Vögel leben hier. Zwei mal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst, machen bis zu sechs Millionen Zugvögel am Baikal halt.
Edda Schlager
Stand: 10.07.2009