Der Run auf die Edelsteine ist umso erstaunlicher, weil auch die moderne Lithotherapie meist nur wenig mehr zu bieten als die Steinheilkunde zu Zeiten von Hildegard von Bingens oder Paracelsus. Häufig greifen die Methoden und Rezepte sogar direkt auf Überlieferungen aus dem Mittelalter zurück oder haben dort zumindest ihre Wurzeln. Die Erklärungen für die heilende Wirkung berufen sich heute jedoch nicht mehr vorrangig auf göttlichen Einfluss. Sie sind dem Zeitgeist folgend wissenschaftlicher verpackt. „Energetische Felder“, „elektromagnetische oder kosmische Strahlung“, „feinstoffliche Schwingungen“ oder „Resonanzen zwischen Mensch und Stein“ sollen der Grund für die angeblich magischen Kräfte und die nach Berichten der Händler und Heiler „sensationellen Heilungserfolge“ der Edelsteine sein.
Edelsteinmedizin – Segen oder Scharlatanerie? Fast alle Forscher, die sich mit den Wunderwirkungen der Steine auseinandergesetzt haben, sind zum gleichen Ergebnis gekommen: Mit wissenschaftlichen Experimenten jedenfalls lassen sich die heilenden Kräfte von aufgelegten oder getragenen Steine weder nachweisen noch erklären. Manche der renommierten Forscher und Gutachter sprechen bei der Edelsteintherapie, die sich auch heute noch überwiegend an den visionären Methoden von der heiligen Hildegard von Bingen orientieren, deshalb sogar von „vorwissenschaftlichen Ideen und Aberglauben“.
Alles nur Schall und Rauch also? Nicht so ganz. Wenn denn im Einzelfall ein Erfolg tatsächlich nachzuweisen ist, spielt der feste Glaube an die Heilkraft der Steine eine wichtige Rolle. So wie bei einem Sportler manchmal allein die Vermutung ein Dopingmittel eingenommen zu haben ausreicht, um bessere Leistungen zu bringen, so tut dieser Placeboeffekt auch bei den angeblich so magischen Edelsteinen manchmal seine Wirkung. Der Manager, der seinen Steintalisman zu wichtigen Gesprächen oder Präsentationen mitnimmt, fühlt sich selbstbewusster und ruhiger, der Kranke, der gereinigte und aufgeladene Wundersteine trägt oder auflegen lässt, spürt manchmal eine subjektive und objektive Besserung seiner Beschwerden. In solchen Fällen ist es jedoch nicht der Stein selbst, der die Reaktionen auslöst, sondern die Psyche oder ein besonderer Selbstheilungsmechanismus des Körpers.
Professor Gregor Markl vom Institut für Mineralogie, Petrologie und Geochemie der Uni Tübingen sieht es so: „Es gibt KEINERLEI unabhängige, unter wissenschaftlichen Bedingungen durchgeführte Studien, die irgendeine Wirkung von Steinen auf die Gesundheit belegen (abgesehen von manchen pulverisierten Chemikalien, die aus Steinen gewonnen werden können, wie z. B. Salz natürlich). Natürlich ist es so, dass Glauben Berge versetzt, und in diesem Sinne wirkt vieles, ähnlich wie Placebo-Präparate, doch ist das eben nicht die Art Wirkung, die in der Medizin nötig ist.“
Während also das Auflegen oder Tragen von Steinen wissenschaftlich eher fragwürdig ist, haben einige wenige Edelmetalle in anderer Form eine wichtige Aufgabe in der Medizin bekommen. So verwenden anerkannte Ärzte beispielsweise Goldinjektionen bei Patienten mit chronischer Arthritis, um ihnen eine Linderung ihrer Beschwerden zu verschaffen.
Eine viel wichtigere Rolle spielen Minerale jedoch, wenn es darum geht dem menschlichen Körper, wichtige fehlende Spurenelemente zuzuführen. Das Pulver von bestimmten Mineralen kann durchaus dazu beitragen, Mangelzustände an Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen oder Kalium zu beseitigen und dem Körper alles lebensnotwendige zur Verfügung zu stellen.
Stand: 04.11.2002