Der Baikalsee ist mit seinen über 20 Millionen Jahren nicht nur der älteste See der Welt, sondern ist auch aufgrund seiner Flora und Fauna eine Ausnahmeerscheinung. Unter den 2600 Tier- und Pflanzenarten sind über 1300 Arten, die es nur hier gibt und nirgends sonst. Dies liegt vor allem an seinem hohen Alter. Gewöhnlich sind Seen kurzlebige Biotope, d.h. den darin lebenden Tieren und Pflanzen bleibt meist keine Zeit eigene und typische Merkmale auszubilden.
Die Vorfahren der im Baikalsee vorkommenden Lebewesen stammen jedoch teilweise aus dem nördlichen Urmeer, das sich nach Süden hin bis in die Mitte Sibiriens ausdehnte und sich erst langsam zurückzog. Der zurückbleibende See lag in einer flachen Senke, vertiefte und vergrößerte sich aufgrund der Erdbewegungen jedoch immer mehr und wurde damit auch immer kälter. Für die Tiere war es bald nicht mehr möglich zwischen dem Baikalsee und umliegenden flacheren Seen hin und her zu wandern, da die Lebensbedingungen zu unterschiedlich waren. So entwickelten sich im Baikalsee besondere, an die Kälte und Dunkelheit in der Tiefe des Sees angepasste Arten.
Obwohl es am Grunde des Sees stockfinster und konstant nur 4 °C sind, findet man hier mannshohe Wälder aus Süßwasserschwämmen und zahlreiche Schalentiere. Im Sediment leben riesige Plattwürmer (Planarien), die hier bis zu einem halben Meter lang werden – in anderen Gewässern haben sie nur eine Größe von ein bis zwei Zentimetern.
Selbst Fische findet man in dieser Tiefe: so beispielsweise den Golominka (Großer Ölfisch). Sein durchsichtiger, schuppenloser Körper mit langen Brustflossen verleiht ihm etwas Geisterhaftes. Er ist einer der wenigen lebendgebärenden Fischarten. Der Temperaturbereich, in dem er leben kann, ist eng begrenzt: 3,5 bis 10°C. Schon bei Wassertemperaturen über 12°C kommt er um. Trotz des hohen Druckunterschiedes schwimmt der Große Ölfisch nachts aus der Tiefe des Sees bis auf 40 Meter unter die Wasseroberfläche. Dort droht ihm Gefahr von den Fischern, die ihn wegen seines hohen Ölgehalts gerne fangen.
Ein anderes Beispiel einer endemischen Fischart sind die Omuls. Diese silbrig geschuppten und sehr schmackhaften Tiere sind die wirtschaftlich bedeutendsten Fische des Sees. In ihrem Fortpflanzungsverhalten zeigen sie ihre wenn auch entfernte Verwandtschaft mit Forelle und Lachs. Zwischen August und Oktober steigen sie die Zuflüsse des Baikal hinauf um abzulaichen, kehren dann aber schnell wieder in den See zurück, um sich von der Anstrengung zu erholen. Im Frühjahr werden dann Milliarden kleiner Omuls in den See gespült.
Besonders bekannt ist die Baikal-Ringelrobbe (Phoca sibirica). Mit nur 1½ Metern handelt es sich dabei um eine relativ kleine Robbenart, die ausschließlich in Süßwasser lebt. Um im Winter ihre Eislöcher freizuhalten besitzen die Tiere scharfe Krallen an den Vorderflossen. Ihre Vorfahren wanderten vermutlich während der letzten Eiszeit über den Angara und den Jenissei ein. Es wird eine Verwandtschaft mit der Eismeer-Ringelrobbe vermutet – u.a. weil beide von einer ähnlichen Laus (Echinophtirius horridus baicalensis) parasitiert werden.
Stand: 07.12.1999