Doch auch wenn nun klar ist, dass eine bronzezeitliche Kultur von Steppennomaden das Leben unserer Vorfahren für immer veränderte, bleibt eine Frage offen: Wie gelang es diesen Neuankömmlingen aus der Steppe, sich so radikal gegen die ortsansässigen Bauern durchzusetzen? Wie schafften sie es, die heimische Bevölkerung sowohl kulturell als auch genetisch so stark zu beeinflussen?
Bringer der Pest?
Einer der Gründe könnten eingeschleppte Seuchen gewesen sein. Denn etwa um die Zeit der Jamnaja-Einwanderung sank die Bevölkerungsdichte unter den jungsteinzeitlichen Bauern in Mitteleuropa deutlich, wie Genstudien belegen. Die Steppennomaden fanden demnach große Landstriche vor, die fast verwaist waren – und konnten sich dort ungehindert niederlassen.
Gleichzeitig fanden die Forscher bei der DNA-Analyse der Jamnaja-Einwanderer Hinweise auf eine Infektion mit der Pest. Nähere Analysen deuten darauf hin, dass der Erreger dieser Seuche damals unter den Bewohner der eurasischen Steppe grassierte. Als diese dann nach Mitteleuropa kamen, trafen sie auf eine Population, deren Immunsystem kaum Abwehrkräfte gegen diesen neuen Erreger hatte.
„Die Seuchendynamik könnte ähnlich gewesen sein wie bei der europäischen Eroberung der Neuen Welt nach Kolumbus“, erklärt Kristian Kristiansen von der Universität Göteborg. „Die Jamnaja könnten die Pest nach Europa gebracht und damit einen massiven Populationskollaps ausgelöst haben.“
Jungmänner auf der Suche nach einer Existenz
Ein weiterer Grund für den Erfolg der Steppennomaden könnte die Zusammensetzung der Neuankömmlinge gewesen sein: Während die ersten Bauern meist mitsamt ihrer Familien in die neuen Gebiete aufbrachen, waren es bei den Jamnaja vorwiegend Gruppen junger Männer, die nach neuen Weidegründen in Europa suchten. Den DNA-Analysen, aber auch archäologischen Funden zufolge kamen unter diesen Neuankömmlingen auf zehn Jamnaja-Männer nur eine Frau.
„Diese große Dominanz der Männer lässt sich durch die alte indoeuropäische Tradition der Kriegerbanden erklären“, sagt Kristiansen. „Diese bestanden aus jungen Männern, die kein Erbe zu erwarten hatten und daher eher dazu motiviert waren, ihr Glück anderswo zu suchen.“ Als diese Gruppen dann im jungsteinzeitlichen Mitteleuropa die Chance auf eine neue Existenz fanden, ergriffen sie sie. Sie wurden Teil der jungsteinzeitlichen Gemeinschaften, suchten sich Frauen unter der einheimischen Bevölkerung und gründeten Familien.
Wie effektiv sie dabei waren, belegt eine weitere DNA-Studie. Denn sie weist nach, dass zwei Drittel der europäischen Männer von nur einer Handvoll Urvätern abstammen – höchstwahrscheinlich den Jamnaja-Männern. Tatsächlich könnten die Steppennomaden für die Frauen der heimischen Bevölkerung attraktive Partner gewesen sein: Sie waren groß und gesund, besaßen bessere Waffen, schnelle Pferde und brachten viele hilfreiche Kulturtechniken mit – darunter Pferdewagen, Erfahrungen in der Viehzucht und der Milchverarbeitung.
Laktosetoleranz als genetisches Mitbringsel
Und noch etwas brachten die Jamnaja mit: die Fähigkeit, den Milchzucker Laktose abzubauen. Weil Milch und Käse bei den Steppennomaden schon lange ein wichtiger Teil der Ernährung waren, hatte bei ihnen eine genetische Selektion zugunsten der Laktosetoleranz stattgefunden. Die meisten Jamnaja besaßen daher die Gene, die die Produktion des milchzuckerabauenden Enzyms Laktase ermöglichten. Und als die Jamnaja nach Mitteleuropa kamen und sich dort mit den heimischen Bauern mischten, gaben sie diese Gene weiter.
„Zuvor war die gängige Ansicht, dass sich die Laktosetoleranz im Nahen Osten oder auf dem Balkan entwickelt hat – in Verbindung mit dem Aufkommen der Landwirtschaft“, erklärt Martin Sikora von der Universität Kopenhagen. „Aber jetzt sehen wir, dass die Mutation dafür selbst in der Bronzezeit in Europa noch sehr selten war.“ Die Forscher vermuten daher, dass die genetische Basis für diese Fähigkeit erst mit den Jamnaja nach Europa kam und sich dann allmählich ausbreitete.