Die große Maschine ruht: Der LHC und alle Detektoren an seinem Ring sind momentan außer Betrieb, weil sie aufgerüstet werden. Diese Pause, der sogenannte Long Shutdown 1 (LS1) ist aber keineswegs eine Panne oder ein spontaner Einfall der LHC-Betreiber, sondern von langer Hand geplant. Schon vor dem allersten Start des Beschleunigers stand fest, dass er zunächst eine Zeit lang mit der Hälfte seiner Maximalenergie laufen soll und erst danach alle Bauteile an die volle Leistung von 14 Teraelektronenvolt angepasst werden.
Der ganz normale Verschleiß
Das erscheint auf den ersten Blick umständlich – ganz zu schweigen von teuer. Aber es macht durchaus Sinn, wie uns CERN-Generaldirektor Rolf Heuer und auch viele der Physiker und Techniker vor Ort erklären. Denn zum einen gibt es auch in einer so komplexen und großen Maschine wie dem LHC den ganz normalen Verschleiß: Jahrelange Belastung durch die gewaltigen Energien und Kräfte hinterlassen ihre Spuren in den Detektoren und Magneten und vor allem den zahllosen supraleitenden Verbindungsstellen entlang des Rings. Wie jede andere Maschine auch muss daher auch der LHC gewartet werden.
Im Normalbetrieb aber ist das nur bedingt möglich, weil der Beschleuniger durchschnittlich nur einmal im Monat zwei Tage lang steht. Ansonsten läuft er sieben Tage die Woche und 24 Stunden täglich. In diesen zwei Tagen Pause gibt es zwar keinen Strahl, supraleitende Magnete und Kühlung laufen aber dennoch weiter. Dadurch sind Arbeiten am sensiblen Innenleben des Beschleunigerrings in diesen kurzen Pausen unmöglich. Will man an diese Bauteile heran, muss man den LHC komplett herunterfahren und alles stilllegen, was mehrere Monate dauert.
Von minus 271,3 Grad auf Raumtemperatur
Und genau das ist Anfang dieses Jahres passiert: Sektor für Sektor wurden die bis auf 1,9 Kelvin heruntergekühlten Ringteile im Laufe mehrerer Wochen allmählich aufgewärmt. Rund vier Zentimeter dehnt sich dabei jeder der 15 Meter langen Dipolmagnete mit den nur unter extremer Kälte supraleitenden Niob-Titan-Spulen dabei aus. Um zu testen, ob dabei keine Dellen oder Verformungen im Strahlrohr auftreten, nutzen die Techniker eine genial simple Methode: Sie schicken einen Pingpong-Ball mit Sender durch das Rohr. Bleibt er irgendwo stecken, muss dieser Bereich geöffnet und kontrolliert werden.
Erst wenn alle Sektoren auf Raumtemperatur aufgewärmt sind und das Kühlmittel, flüssiges Helium, abgelassen wurde, können die Hüllen um die Magnete und die Verbindungen zwischen ihnen geöffnet werden – im Durchschnitt geschieht dies alle 15 Meter einmal. Kein Wunder also, dass es Monate dauert, bis alle 27 Kilometer des gewaltigen Ringbeschleunigers auf diese Weise abgearbeitet sind. Und dann dauert es noch einmal drei bis vier Monate, bis alle Sektoren wieder auf 1,9 Kelvin heruntergekühlt sind.
Insgesamt werden während des Long Shutdown 1.695 Verbindungen zwischen den Magneten geöffnet und an diesen Stellen mehr als 10.00 elektrische Leitungen verstärkt. Einige waren zudem fehlerhaft und müssen ausgetauscht werden. Zusätzlich werden 15 der großen Dipolmagnete ersetzt, die die Teilchen bei ihrem Flug mit annähernd Lichtgeschwindigkeit auf ihrer Kreisbahn halten und vier der Quadrupolmagneten, die den Teilchenstrahl fokussieren. „Das ist dann quasi eine neue Maschine“, sagt Rolf Heuer.
Nadja Podbregar
Stand: 02.08.2013