Die Aufregung unter den holländischen Seefahrern war groß, als sie am Horizont die Konturen des Festlandes entdeckten. War dies der sagenumwobene riesige Kontinent, der Gerüchten zufolge südlich des Äquators lag? Admiral Jacob Roggeveen mag in Gedanken schon die Reichtümer des vermeintlichen Kontinents erforscht haben, je weiter sich das Schiff dem Land näherte, desto größer muss daher seine Enttäuschung gewesen sein. Anstelle des erhofften unentdeckten Kontinents fanden die Seefahrer eine gerade mal 179 Quadratkilometer große Insel vor. Und da dieser Tag gerade Ostersonntag war, wurde die Insel denn auch so benannt: Osterinsel.
Stumm und reglos blickten die riesigen Steinfiguren auf die ankommenden Seefahrer herab. Die Kolosse mit ihren großen Nasen und den langen Ohren jedoch zeigten sich unbeeindruckt – sie hatten schon viele Menschen kommen und gehen sehen. Roggeveen und seine Männer dagegen waren sicherlich erstaunt und fragten sich vermutlich, wie die riesigen Kolosse geschaffen wurden.
Diese Frage ist bis heute nicht völlig beantwortet. Die menschenähnlichen Figuren aus vulkanischem Tuffstein, die Moai, standen auf abgestuften Plattformen entlang der Küste. Heute sind viele der Figuren zerstört oder umgekippt. Etwa 800 dieser Riesen, die vermutlich eine Art Denkmal für verstorbene Häuptlinge darstellen, wurden inzwischen auf der Insel gefunden. Dazu kommen etwa 270 teilweise nicht fertig gestellte Figuren in den Steinbrüchen.
Mit einfachen Steinkeilen wurden die gigantischen Figuren aus dem Stein gemeißelt. Bis zu 9,80 Meter hoch waren die Moai und bis zu 80 Tonnen schwer. Ein noch unvollendeter Moai in den Steinbrüchen misst sogar 21 Meter. Wissenschaftler haben berechnet, dass 30 Männer ein Jahr gebraucht haben müssen, um eine zehn Meter hohe Figur aus dem Stein zu schlagen. Wenn es auch schon verwunderlich genug ist, dass diese riesigen Gestalten mit einfachsten Mitteln geschaffen wurden – noch rätselhafter ist es, wie sie transportiert und aufgerichtet wurden. Denn ihr Standort an der Küste befindet sich weit weg von den Lavasteinbrüchen. Alte Sagen geben keine befriedigende Auskunft. „Sie gingen zu Fuß“ heißt es hier.
Eine der Figuren wurde 1868 mit dem Schiff nach England transportiert, heute noch steht sie im British Museum. Um diesen Moai zu bewegen, waren 500 Männer nötig. Wissenschaftler vermuten, dass sie damals bereits aufrecht stehend transportiert wurden, mithilfe eines flachen Steins, unter dem Holzbalken als Rollen dienten. Aufwendigere Holzkonstruktionen wären kaum möglich gewesen, denn das Holz ist auf der Insel relativ knapp.
Was bleibt, ist eine weitere Frage: Wer waren die Erbauer der Figuren? Vielleicht waren es die polynesischen Siedler, allerdings gibt es ähnliche Statuen nirgends im polynesischen Raum. Möglicherweise sind die Moai auf fremde Einwanderer zurückzuführen. Es könnte sich dabei um Colla-Indianer handeln, die auf der Flucht waren, nachdem die Inka sie unterworfen und zu Zwangsarbeiten verpflichtet hatten. Dafür spricht zumindest der Brauch der Colla, sich die Ohren mithilfe von Gewichten zu verlängern – ganz so wie die langgestreckten Ohren der Steinfiguren.
Unbeeindruckt von diesen Fragen stehen die Moai noch immer reglos an der Küste. Sie werden bestimmt keine Antwort geben. Und wer weiß – vielleicht sind sie ja tatsächlich gelaufen?
Stand: 12.04.2001