Salzseen sind nicht nur einzigartige Natur- und Landschaftsphänomene, sie spielen auch eine wichtige Rolle als Rohstofflieferanten – und damit als sprudelnde Einkommensquelle. So wie der Salar de Uyuni auf der Ebene des Altiplano in Bolivien. Einer Studie des U.S. Geological Survey zufolge könnten im flächenmäßig größten Salzsee der Welt rund 5,4 Millionen Tonnen Lithium lagern. Das so genannte „graue Gold“ wird unter anderem für die Batterieproduktion dringend benötigt.
Am Lake Natron in Tansania und an anderen Salzseen der Welt ist es dagegen vor allem das Soda, das Begehrlichkeiten weckt. Dabei handelt es sich um ein Salz-Mineral aus der Klasse der „Carbonate“, welches unter anderem bei der Herstellung von Glas, Waschmitteln oder Gerbereiprodukten zum Einsatz kommt.
Soda-Gewinnung in großem Maßstab
Im Jahr 2007 präsentiert die tansanische Regierung zusammen mit der Indischen Firma Tata Chemicals ein Konzept für eine Sodafabrik am Lake Natron. Der Masterplan des Konsortiums sieht vor, dort gleich bis zu eine Million Tonnen Soda pro Jahr zu produzieren. Dazu muss nicht nur das Werk selbst gebaut werden, notwendig sind auch ein Kraftwerk für die Stromversorgung, eine Flugverbindung und eine größere Siedlung für die Arbeiter. Hinzu kommen eine neue Straße und eine Eisenbahnstrecke, um den begehrten Rohstoff abzutransportieren.
Ökologisches Desaster
„Lake Natrons riesige Schwärme aus schillernden, rosafarbenen Flamingos sind eine der größten Attraktionen der Tierwelt. Diese eindrucksvollen Vögel verdienen den strengsten Schutz, den wir ihnen bieten können. Jede Bedrohung ihrer Zukunft wäre nicht nur ein ökologisches Desaster, sie würde auch dem Tourismus in Ostafrika einen entscheidenden Schlag versetzen […].“, konstatiert daraufhin der britische Tierfilmer und Naturforscher Sir David Attenborough. Er reiht sich damit ein in ein breites Bündnis, das sich unter dem Motto „Think pink“ gegen den Bau der Chemieanlage wehrt. Die Vogelschutzorganisation Birdlife gehört genauso zu den Kritikern des Projektes, wie andere Natur- und Umweltschützer, ausländische Politiker und zahlreiche Wissenschaftler. Sie alle bangen unter anderem um das Überleben der Zwergflamingos in der Region, wenn das Projekt wirklich Realität werden sollte.
Ein Netzwerk an Gefahren
Die Gegner des Millionen Euro teuren Vorhabens fürchten beispielsweise, dass die Vögel durch den zu erwartenden Lärm verschreckt werden und das große Mengen gefährlicher Abwässer in den See gelangen. Der Sodaabbau könnte zudem den Salzgehalt des Lake Natron entscheidend reduzieren und ihn trüber machen. Folge: eine sinkende Produktivität der Cyanobakterien – die Flamingos müssten hungern und vermutlich teilweise sterben.
Die internationale Protestwelle hat schließlich Erfolg. Nach einigen medialen, politischen und juristischen Schachzügen gibt Tata Chemicals im Oktober 2008 den Ausstieg aus dem Projekt bekannt – bis auf Weiteres: „Was uns betrifft gehen wir nicht auf Tansania zu, bis Tansania wieder auf uns zugeht“, sagt ein Sprecher des Unternehmens.
Sodafabrik bleibt aktuell
Für die tansanische Regierung jedoch ist die Sodagewinnung offenbar nach wie vor ein Thema. Laut BirdLife hat eine Regierungsbehörde im August 2009 versucht, das nötige Equipment für eine Sodafabrik zu erwerben. „Eine Anzeige zur Beschaffung von Bergbau-Technologie und eine aktuelle Ankündigung die Eisenbahn auszubauen und einen neuen Hafen in Tanga zum Umschlag von Soda anzulegen: All dies deutet daraufhin, dass der Versuch Soda abzubauen am Leben erhalten werden soll“, kommentiert Lota Melamari, der Chef der Wildlife Conservation Society von Tansania (WCST-BirdLife) 2009 den neuen Vorstoß.
Im Juli 2010 folgt dann der nächste Paukenschlag: Jakaya Kikwete, Präsident von Tansania, kündigt den Bau einer 480 Kilometer langen Fernstraße an. Sie soll die zweitgrößte Stadt des Landes Arusha mit der Hafenstadt Musoma am Viktoriasee verbinden. Dieser Highway würde auch zum Lake Natron führen und anschließend mitten durch das Weltnaturerbe Serengeti. Ob der Highway tatsächlich gebaut wird, ist aber noch unklar. Denn erstens hat es erneut weltweite Proteste gegen die Pläne gegeben und auch die Umweltverträglichkeitsprüfung ist noch nicht abgeschlossen. Von einer soliden Finanzierung des Projektes ganz zu schweigen.
Dieter Lohmann
Stand: 11.02.2011