Der Asteroidengürtel besteht primär aus Gesteinstrümmern, den Brocken, die bei der Planetenbildung übrig blieben – so die gängige Vorstellung. Doch in den letzten zehn Jahren haben Astronomen zwölf Bewohner dieses Gürtels entdeckt, die nicht ins Bild passen: Es sind aktive Kometen, Brocken aus Eis und Staub, die einen hellen, sichtbaren Schweif aus Staubpartikeln und Gasen ausbilden.
Diese „Schweifsterne“ umlaufen die Sonne normalerweise in langgezogenen, stark elliptischen Bahnen, die sie nur periodisch in das Innere Sonnensystem führen. Ihr Ursprung liegt meist weit außen – jenseits der Bahn des Neptun. Dort, im sogenannten Kuipergürtel, und auch noch weiter außen, in der Oortschen Wolke, kreisen zahlreiche dieser „schmutzigen Schneebälle“. Ähnlich wie bei den Gesteinsbrocken im Asteroidengürtel führen bei diesen eisige Körpern störende Schwerkrafteinflüsse dazu, dass ab und zu einer von ihnen aus seiner Bahn geworfen wird und in Richtung inneres Sonnensystem fliegt – es entsteht ein Komet. Soweit, so bekannt.
Asteroiden mit Schweif
Aber seltsamerweise tauchten in den letzten Jahren einige dieser Kometen aus heiterem Himmel inmitten der Gesteinsbrocken des Asteroidengürtels auf. Statt der normalen stark elliptischen Bahn bleiben diese Kometen seltsamerweise auf ihrer nahezu kreisförmigen Bahn im Gürtel. „Vieles spricht dafür, dass diese sogenannten aktiven Asteroiden keine einheitliche Gruppe bilden“, sagt Jessica Agarwal vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau.
Von der Oberfläche einiger dieser Objekte verdampft vermutlich Eis, ähnlich wie bei einem Kometen. Dieses stammt wahrscheinlich aus dem tiefen Inneren der Körper und wurde möglicherweise durch heftige Einschläge freigelegt. Bei anderen aktiven Asteroiden haben Zusammenstöße Fontänen aus Staub erzeugt, die monatelang als Schweif sichtbar blieben. Einer dieser Sonderlinge ist auch der erst im Sommer 2013 entdeckte Asteroid P/2013 P5. Zunächst schmückte sich dieser Brocken nur mit einem Schweif, doch eine erneute Beobachtung im November 2013 enthüllte nunmehr gleich sechs Schweife, die wie die Speichen eines Wagenrads vom Kern ausgingen.
Asteroid mit sechs Schweifen
Aber wie waren diese Schweife entstanden? Bei gleich sechs solcher Fontänen in wenigen Monaten, ist es nach Ansicht der Planetenforscher eher unwahrscheinlich, dass Einschläge kleinerer Brocken die Ursache sind. Aber auch verdampfendes Eis erscheint nicht wirklich plausibler, denn P/2013 P5 bewegt sich am inneren Rand des Asteroidengürtels und damit in einer Zone, in der jedes Eis in ihm schon vor langer Zeit hätte verdampft sein müssen. Was aber war dann der Auslöser?
Entscheidende Hinweise lieferten im September 2013 Aufnahmen des Weltraum-Teleskops Hubble, die den Asteroiden zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten zeigten. „Zwischen den Beobachtungen lagen 13 Tage. In dieser Zeit hatte sich unser Forschungsobjekt stark verändert“, so Agarwal. Während ein Schweif fast unverändert geblieben war, hatte ein zweiter deutlich an Länge und Leuchtkraft zugenommen. Alle anderen waren verblasst.
Die Forscher vermuten, dass die Rotation des Objektes für die Schweife verantwortlich ist: Es dreht sich so schnell um die eigene Achse, dass es Masse verliert. Angetrieben wird dieser Vorgang vom Druck des Sonnenlichts. Dieses trifft in unterschiedlichen Winkeln auf die zerklüftete Oberfläche. Unterm Strich wird dadurch die Rotation des Asteroiden mehr und mehr beschleunigt, wie bei einem Rad, das man nur an einer Seite anschiebt. Irgendwann wird dadurch die Fliehkraft am Äquator des Asteroiden stärker als die schwache Schwerkraft des mit einem Durchmesser von 240 Metern recht kleinen Körpers: Material wird von der Oberfläche fortgeschleudert. Die Astronomen klassifizieren diese kosmische Dreckschleuder als „Hauptgürtel-Kometen“.
Nadja Podbregar
Stand: 13.12.2013