Über seine Stäbchen und Zapfen nimmt das menschliche Auge Lichtreize wahr und versorgt das Gehirn mit Informationen: über hell und dunkel und über Farben. Doch das einfallende Licht prägt nicht nur unser visuelles Bild von der Welt. Es wirkt sich auch direkt auf unseren Hormonhaushalt aus.
In der Netzhaut registriert das Pigment Melanopsin das blaue Spektrum des sichtbaren hellen Scheins und leitet diese Reize zu einem kleinen Bereich oberhalb der Kreuzung der Sehnerven weiter – dem suprachiasmatischen Nucleus (SCN). Dieses reiskorngroße Nervengeflecht gibt die eingegangenen Informationen unter anderem an die Zirbeldrüse weiter. Gemeinsam sind diese beiden verantwortlich dafür, den Körper am Tag leistungsfähig zu halten und in der Nacht für einen erholsamen Schlaf zu sorgen.
Auf und Ab der Hormone
Je weniger Tageslicht ins Auge fällt, desto stärker wird in der Zirbeldrüse die Produktion des Schlafhormons Melatonin angeregt. Dieser Botenstoff bereitet unseren Körper auf die nächtliche Ruhepause vor: Wir werden müde und träge. Die Körpertemperatur fällt um einige Zehntelgrad ab, Puls und Atmung werden langsamer, der Blutdruck sinkt.
Mit zunehmender Helligkeit nimmt die Melatoninkonzentration hingegen ab. Gleichzeitig veranlasst der SCN die Bildung von Serotonin. Diese Substanz ist nicht umsonst als Glückshormon bekannt: Sie sorgt für ein ausgeschlafenes Gefühl, steigert Antrieb und Leistungsfähigkeit und hebt die Stimmung – genau das, was man tagsüber gebrauchen kann.
Sonne für „Lethargiker“
Das Licht als Taktgeber der Vorgänge in unserem Körper ist entscheidend mitverantwortlich dafür, dass wir im Einklang mit dem Tag-Nacht-Rhythmus unserer Umwelt leben, gesund bleiben und uns wohlfühlen. Seine prägende Rolle kann sich jedoch auch negativ auswirken – dann, wenn uns das Tageslicht fehlt.
Diesen Zusammenhang hatten die Menschen bereits erkannt, lange bevor Forscher die biologische Erklärung dafür fanden. Schon die Nationalsozialisten sperrten unliebsame Personen in fensterlose Zellen, um deren Willen zu brechen. Umgekehrt schicken Ärzte ihre Patienten bereits seit der Antike immer wieder zu Therapiezwecken an die frische Luft. So war der griechische Mediziner Aretaios schon vor 2.000 Jahren überzeugt: „Lethargiker sollen in das Licht gelegt und den Strahlen der Sonne exponiert werden“.
Trübes Licht, trübe Stimmung
Im Winter ist das Sonnenlicht als Launemacher oft Mangelware. Bis zu 100.000 Lux bekommt der Körper im Sommer an einem Tag mit blauem Himmel. In der dunklen Jahreszeit und bei bedecktem Himmel ist es nur ein Bruchteil davon. Das führt dazu, dass in unserem Organismus dann auch tagsüber vergleichsweise viel Melatonin und wenig Serotonin ausgeschüttet wird. Die meisten Menschen schlafen in dieser Zeit daher mehr – nach Angaben von Schlafforschern rund eine halbe Stunde pro Nacht – und fühlen sich am Tag träger.
Bei manchen führt der Mangel an Glückshormonen sogar zu einer saisonal bedingten Depression, auch Winterblues genannt. Helfen kann Betroffenen eine gezielte Lichttherapie, die dem Körper Sonnenlicht vorgaukelt. Sich täglich 30 bis 40 Minuten in den Schein einer starken Lichtquelle zu setzen, zeigt schnell Wirkung: 60 Prozent der Patienten mit jahreszeitlich bedingter Depression erleben der Deutschen Stiftung Depressionshilfe zufolge bereits nach einer Woche eine Verbesserung ihres Empfindens.
Daniela Albat
Stand: 02.03.2018