Helfer gegen Knochenschwund, Schutz gegen Darmkrebs – zumindest diese Wirkungen des Vitamin D scheinen bisher wissenschaftlich belegbar. Aber auch das „Sonnenvitamin“ hat – wie könnte es anders sein – seine Schattenseiten. Eine davon enthüllte im Januar 2008 eine Studie australischer Forscher.
Sie zeigte, dass Vitamin D chronisch Kranken leider keineswegs immer gut tut. Vor allem dann nicht, wenn diese Kranken niedrige Vitaminspiegel im Blut aufweisen und versucht wird, wie bisher üblich, diese über Gaben von synthetischem Vitamin D auszugleichen. Denn in vielen Fällen dämpft das künstliche Vitamin schon in geringen Dosen das Immunsystem und kann eine Heilung verzögern und sogar verhindern.
Warum das so ist, zeigten die von Trevor Marshall und seinen Kollegen von der Murdoch Universität durchgeführten molekularbiologische Untersuchungen: Normalerweise aktiviert das vom Körper selbst erzeugte Vitamin D eine spezielle Andockstelle im Gewebe, den VDR-Rezeptor. Wird dieser tätig, unterstützt er das Immunsystem im Kampf gegen Krankheiten. Er reguliert die Expression von hunderten von Genen und hemmt dabei auch solche, die mit Krebs, Multipler Sklerose und anderen Krankheiten in Verbindung gebracht werden.
Synthetisches Vitamin wirkt anders
Doch diese positive Wirkung gilt nur für die selbst erzeugte Vitaminvariante. Das synthetische, durch Nahrungszusätze aufgenommene Vitamin D hat dagegen eine gegenteilige Wirkung: Seltsamerweise blockiert es den VDR-Rezeptor anstatt ihn zu aktivieren. Dadurch entfällt dessen regulierender Einfluss und die zuvor unterdrückten Krankheitsgene können nun ungehindert abgelesen werden. Damit fördert das künstliche Vitamin genau die Prozesse, die es eigentlich unterbinden sollte.
„Wir haben festgestellt, dass Vitamin D-Gaben, selbst in als wünschenswert eingestuften Dosen, die Heilung von Patienten behindern“, erklärt Marshall. „Wir müssen die Annahme verwerfen, dass Vitamin D Krankheiten auf einfache Weise beeinflusst. Es wirkt auf die Expression von mehr als tausend Genen, daher können wir kein einfaches Ursache-Wirkungs-Prinzip zwischen Vitamin-Zusätzen und Krankheiten erwarten.“
Hirnschwund statt Knochenschwund?
Und nicht nur bei chronisch Kranken scheint eine voreilige Vitamin D-Gabe mehr zu schaden als zu nützen. Ähnliches gilt offenbar auch für Demenzpatienten, wie die Studie eines US-amerikanischen Forscherteams im Sommer 2007 zeigte.
Die Wissenschaftler hatten das Ausmaß der Hirnschäden bei 232 Patienten beiderlei Geschlechts mittels Kernspintomografie untersucht und Beunruhigendes festgestellt: Bei denjenigen, die angaben, regelmäßig Kalzium und Vitamin D als Nahrungsergänzung zu sich zu nehmen, waren die geschädigten Hirnbereiche sehr viel größer als bei ihren nicht „gedopten“ Altersgenossen. Offenbar hatte die klassische Wirkstoffkombination gegen Knochenschwund unerwarteterweise stattdessen den Hirnschwund gefördert.
Nach Ansicht von Martha Payne und ihren Mitstreitern von der Duke Universität könnte dies mit dem vermehrten Einbau von Kalzium in die Gefäßwände der Blutadern im Gehirn zusammenhängen, sicher ist das aber noch nicht. „An diesem Punkt wissen wir noch nicht, ob hohe Kalzium und Vitamin D Aufnahmen ursächlich an der Entstehung der Gehirnschäden beteiligt sind, aber die Studie unterstützt die wachsende Besorgnis vieler Forscher gegenüber der starken Werbung für die Aufnahme von Kalzium und Vitamin D in hohen Dosen“, so die Forscherin.
Stand: 22.02.2008