Weiter fortgeschritten ist der Versuch, Nanotubes in Flachbildschirmen oder in besonders energiesparenden und langlebigen Lampen einzusetzen. So haben japanische Wissenschaftler bereits den Prototyp einer Nanotube-Lampe vorgestellt. In spätestens zwei Jahren soll ein Flachbildschirm auf den Markt kommen, bei dem Elektronen aus den Spitzen von Nanotubes sprühen und auf einem mit Leuchtstoffen beschichteten Schirm ein Bild erzeugen.
Die elektronischen Besonderheiten der exotischen Kohlenstoffmodifikation beflügeln auch die Forscher der Computerindustrie. Bei der Firma IBM etwa werden die Röhren auf ihre Tauglichkeit als Transistoren untersucht. Darüber hinaus sind die Nanotubes im Gespräch als hauchdünne Verbindungen zwischen einzelnen elektronischen Bauteilen. Transistor und elektrische Verbindung – auf den ersten Blick ein Gegensatz: Für das eine braucht man halbleitendes Material und für das andere einen Leiter.
Auf den richtigen Dreh kommt’s an
Die Auflösung des Widerspruchs: Von der Struktur her besteht eine Nanoröhre aus einer zusammengerollten Schicht Graphit – jenes Material, aus dem Bleistifte sind. „Ob die Röhre halbleitend oder leitend ist, hängt davon ab, auf welche Art die Graphitschicht aufgerollt ist“, sagt Dr. Stefan Eisebitt vom Institut für Festkörperforschung (IFF).Mit anderen Worten: Nanotube ist nicht gleich Nanotube. Bei der Herstellung fallen stets Mixturen verschiedener Röhrchen an. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihrem Durchmesser und ihrer Länge, sondern eben auch in ihren elektronischen Eigenschaften. Wissenschaftler benötigen jedoch für viele potenzielle Einsatzgebiete Nanotubes nur eines Typs.
Eisebitt und seine Mitarbeiter Ingo Wirth und Gunther Kann haben deshalb eine Methode entwickelt, mit der sich feststellen lässt, wie sortenrein Nanotube-Material ist. Für ihre Untersuchungen nahmen die drei Wissenschaftler mit dem Rastertunnelmikroskop ein Bild von Nanotubes auf, die von Forschern der Rice University hergestellt worden waren. „Was wir sahen, ähnelte einem Teller mit Spaghetti“, sagt Eisebitt. Jede der „Nudeln‘ bestand dabei aus einem Bündel unzähliger Nanotubes.
Qualitätskontrolle in der Nanowelt
Die Aufnahme des Bildes war aber nur das Vorspiel. Die Jülicher Physiker setzten das Rastertunnelmikroskop anschließend auf unkonventionelle Weise ein. Normalerweise wird eine konstante Spannung an die Mikroskopspitze angelegt, während diese über einen Bereich der Probe fährt. Eisebitt und sein Team positionierten dagegen die ruhende Spitze des Mikroskops an 100 ausgesuchten Punkten über dem Nanotube-Material und variierten jeweils die Spannung zwischen Probe und Spitze. Durch Messung des resultierenden Tunnelstroms konnten sie dann bestimmen, ob das Material am untersuchten Punkt leitend oder halbleitend war: Bei einem Leiter steigt der Strom mit zunehmender Spannung an, bei einem Halbleiter fließt dagegen zunächst kein Strom. Erst bei ausreichend hoher Spannung beginnt ein Halbleiter, ebenfalls Strom zu leiten.
Das Ergebnis der Untersuchung: Das Nanotube-Material der US-Forscher war keineswegs einheitlich, sondern bestand ungefähr zur Hälfte aus halbleitenden und aus leitenden Röhrchen – aus Sicht des Teams von der Rice University wohl eher ein unbefriedigendes Resultat. Eisebitt dagegen freut sich: „Die Qualität von Nanotube-Material kann nun besser als bisher beurteilt werden.“
Stand: 04.02.2001