Uran-Einschlüsse in Mineralien können aber noch mehr: Sie verraten nicht nur das Alter des Gesteins, sondern geben auch Aufschluss darüber, wie sich seine Temperaturen im Laufe der Zeit verändert haben. Darüber lässt sich beispielsweise bestimmen, wie langsam ein Gestein abkühlte oder wann Lava erstarrt ist.
Das Ganze funktioniert nach einem eigentlich simplen Prinzip: Wenn ein im Mineral eingeschlossener Urankern zerfällt, werden die entstehenden Spaltprodukte in das Mineralgitter geschossen und richten dort mikroskopisch kleine Zerstörungen an, sogenannte Spaltspuren. Wird das Mineralkörnchen poliert, auf bestimmte Art aufbereitet und unter dem Mikroskop betrachtet, sind diese Spaltspuren als feine Linien und Kerben zu erkennen. Weil die Zerfallsrate des Urans bekannt ist, können Forscher aus der Anzahl der Spaltspuren in einem Mineral schließen, wie alt dieses ist: Je mehr man davon findet, desto länger konnte das Mineral die Strahlenschäden sammeln.
Wärme stellt die Uhr zurück
Aber es kommt noch ein Faktor dazu: Solche Spaltspuren entstehen nur, wenn das Mineral nicht zu warm ist. Ist beispielsweise Apatit wärmer als 60 Grad Celsius, verkürzen sich die Spaltspuren in seinem Gitter. Bei Temperaturen oberhalb von 110 Grad verschwinden diese Spuren sogar ganz – das Kristallgitter heilt wieder aus und die von den Spaltprodukten verschobenen Atome nehmen ihre ursprünglichen Gitterplätze wieder ein. Die Spaltspuren-Uhr wird quasi auf Null zurückgestellt.
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Diese von der Gesteinstemperatur abhängige „Uhr“ hilft Geologen beispielsweise dabei, Hebungsraten von Gebirgen zu bestimmen: In der Tiefe der Erdkruste ist das Gestein zu warm, um Spaltspuren auszubilden. Steigt es dann durch die Plattentektonik angehoben nach oben, beginnen solche Spuren zu entstehen. Aus der jetzigen Höhe, der bekannten Zerfallsrate des Urans und der Menge der Spaltspuren können Geoforscher so ermitteln, wie lange eine bestimmte Gesteinsschicht aus der Tiefe der Erdkruste bis zum Gipfel eines Gebirges gebraucht hat. So bestimmten Forscher beispielsweise die Hebungsraten für das Bergell-Massiv im schweizerischen Graubünden auf 0,3 Millimeter pro Jahr.
Vulkane und altes Glas
Aber auch zur Datierung eignet sich diese Methode: Bei einem Vulkanausbruch erstarrt die Lava meist sehr schnell. Mineralien aus solchen Vulkangesteinen können daher über ihre Spaltspuren verraten, wann ein Feuerberg entstand oder wann er zuletzt ausgebrochen ist. Einige menschengemachte Materialien lassen sich aber ebenso datieren: In der Zeit der Römer, aber auch bis ins 19. Jahrhundert hinein in Europa, Nordamerika und China wurde beispielsweise Glas häufig mit einer Uranoxid-Verbindung gelblich eingefärbt. Da auch in diesem Glas Spaltspuren entstehen können, verraten sie, wann das Glas erstarrte und damit, wann beispielsweise das Trinkglas oder die Glasfigur erschaffen wurde.
Nadja Podbregar
Stand: 30.11.2012