Schummeleien und Fälschungen in der Wissenschaft sind beileibe kein neues Phänomen. Das beweisen Fälle wie der berühmte Piltdown-Mensch oder der des Physikers Emil Rupp – er hatte in den 1920er Jahren Daten, die den Welle-Teilchen-Dualismus belegen sollten, schlicht gefälscht.
Haben Betrugsfälle zugenommen?
Doch gerade in den letzten Jahren und Jahrzehnten scheinen sich Fälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten zu häufen – selbst wenn man die für Geistes- und Sozialwissenschaft typischeren Plagiate nicht einbezieht. „Wir müssen herausfinden, ob solche Vorkommnisse nur bloße Fußnoten der Wissenschaftsgeschichte sind oder ob wir Situationen und Motivationen kreieren, die solche Fälle zur Spitze eines ganzen Eisbergs machen“, konstatierte der US-Politiker Al Gore bereits 1981 vor einem Komitee.
Was also stimmt? Fälschen und schummeln Forschende heute mehr als früher? Oder werden heute einfach mehr von ihnen erwischt? Das herauszufinden, ist alles andere als einfach. Denn oft sind die Grenzen zwischen bloß schludriger Arbeit, Versehen und absichtlicher Manipulation fließend. Und selbst überführte Forscher haben meist jede Menge Ausreden parat – von angeblich versehentlichem Rohdatenverlust über schlichtes Leugnen bis zum Abschieben der Schuld auf Mitarbeiter reicht die Spanne.
Ein Drittel hat schon mal gemauschelt
Trotz dieser Schwierigkeiten gibt es durchaus Anhaltspunkte – und diese stammen von den Wissenschaftlern selbst. In anonymisierten Befragungen haben viele von ihnen darüber Auskunft gegeben, ob sie schon einmal der Versuchung erlegen sind. Die bisher umfangreichsten Daten dazu hat Daniele Fanelli von der University of Edinburgh gesammelt und untersucht. In seiner Metastudie wertete er 18 Befragungen aus den letzten rund 20 Jahren mit insgesamt mehr als 11.500 Teilnehmern aus.
Das Ergebnis: Knapp zwei Prozent der Befragten gaben zu, selbst schon mindestens einmal Daten gefälscht oder modifiziert zu haben. Sie haben demnach ziemlich schwerwiegende Verstöße gegen das korrekte wissenschaftliche Arbeiten begangen. Aber: „Mehr als ein Drittel der Forschenden gab verschiedene andere fragwürdige Praktiken zu“, berichtet Fanelli. Zu diesen gehörten das Weglassen einzelner Datenpunkte oder die nachträgliche Anpassung von Design, Methode oder Ergebnissen einer Studie an die Erwartungen.
Hohe Dunkelziffer
Doch selbst diese Zahlen sind vermutlich noch zu niedrig, denn gerade bei solchen Selbstauskünften sei die Dunkelziffer hoch: „Gerade in der Wissenschaft ist eine Reputation von Ehrlichkeit und Objektivität für die Karriere fundamental“, so Fanelli. „Jeder, der schon einmal Ergebnisse gefälscht hat, wird daher selbst bei zugesicherter Anonymität zögern, dies zuzugeben.“
Interessant auch: Als Postdocs der University of California in San Francisco nach eigenen Vergehen gefragt wurden, gaben 3,4 Prozent ein Fehlverhalten zu. 17 Prozent aber sagten, sie seien grundsätzlich willens, Daten wegzulassen oder zu selektieren, um ihre Ergebnisse zu verbessern. Noch extremer fiel eine ähnliche Befragung in San Diego bei Doktoranden der biomedizinischen Fächer aus: Knapp fünf Prozent gaben Manipulationen zu, aber 81 Prozent würden Daten selektieren, weglassen oder fälschen, um eine Förderung zu bekommen oder eine Publikation zu erreichen.
Doch wo bleibt bei alldem die vielgepriesene Selbstkontrolle der Wissenschaft?
Nadja Podbregar
Stand: 02.02.2018