Die „Tortilla-Proteste“ in Mexiko im Jahr 2007 waren eine der ersten öffentlichen Reaktionen auf eine bisher einmalige weltweite Lebensmittelkrise, die sich bis heute fortsetzt. Damals waren dort die Ärmsten der Armen auf die Straße gegangen, weil sich die Preise für Tortillas – einem Grundnahrungsmittel – innerhalb einer Woche verdreifacht hatten.
Grund für die Preiserhöhungen in Mexiko war unter anderem die wachsende Nachfrage nach Mais auf dem Weltmarkt. Denn aus Mais wird Biosprit gewonnen und der Handel mit Getreidearten, aus denen angeblich umweltfreundliche Kraftstoffe produziert werden können, boomt. „Allein in den USA“, so erklärte kürzlich Greenpeace, „werden inzwischen 84 Millionen Tonnen Getreide zu Ethanol verarbeitet. Damit könnte man 200 Millionen Menschen ein Jahr lang ernähren.“
Klimafreundlich aber dennoch umweltschädlich?
Biokraftstoffe werden manchmal aus Abfällen, manchmal aus den Emissionen von Gülle-Behältern, zunehmend aber auch aus extra zu diesem Zweck herangezogenen und geernteten Energiepflanzen wie Mais, Soja, Zuckerrohr oder Raps erzeugt. Sie gelten als weitgehend CO2-neutral, weil das bei der Verbrennung entstehende Kohlendioxid vorher von den Pflanzen gebunden worden ist. In Deutschland gilt Biosprit daher vielfach noch immer als ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Landwirte, die ihre Flächen zum Anbau von Energiepflanzen nutzen, werden nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sogar subventioniert. Doch allmählich wandelt sich dies:
Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom November vergangenen Jahres spricht sich beispielsweise eindeutig gegen Biosprit aus. „Die Förderung des Einsatzes von Biokraftstoffen ist aus klimaschutzpolitischer Sicht keine sinnvolle Option, denn sie ist im Vergleich zu anderen klimapolitischen Optionen sehr kostspielig und bringt – zumindest bei den derzeit verbreiteten Linien Biodiesel und Bioethanol – eine vergleichsweise geringe CO2-äquivalente-Vermeidungsleistung je Hektar.“
Konkurrenz zum Nahrungsanbau
Vor allem angesichts steigender Lebensmittelpreise ist das akute Problem jedoch, dass Energiepflanzen für Biosprit in Anbaukonkurrenz zu Lebensmitteln getreten sind. Weltweit pflanzen Bauern zunehmend mehr Getreide ausschließlich für die Erzeugung von Biosprit an, anstatt für die Lebensmittelversorgung. In Deutschland, so stellt Greenpeace fest, werde Pflanzen-Diesel bereits zu fast 20 Prozent aus importiertem ausländischem Sojaöl gewonnen. „Jedes Prozent mehr Beimischung von Biodiesel in Deutschland, bedeutet über 700.000 Hektar zusätzliche Anbaufläche für Agrosprit“, so Greenpeace.
Weltbank-Präsident Robert Zoellick kritisierte beim Frühjahrsgipfel 2008 von Weltbank und Internationalem Währungsfond IWF: „Während sich manche Sorgen machen, wie sie ihren Benzintank füllen, kämpfen viele andere darum, wie sie ihren Magen füllen können“. Südafrika hat die Produktion von Biotreibstoff aus Mais bereits gestoppt. Aus Angst vor Nahrungsmittelknappheit will die Regierung künftig nur noch zwei Prozent statt 4,5 Prozent des insgesamt verbrauchten Kraftstoffs aus pflanzlichen Rohstoffen herstellen lassen.
John Beddington, Experte für erneuerbare Energien und Wissenschaftler im Dienst der britischen Regierung, brachte das Problem auf den Punkt: Landwirtschaftliche Anbauflächen seien viel zu kostbar für Energiepflanzen, deshalb sollten sie viel dringender für die Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden. „Die Ernährungskrise schlägt schneller zu als der Klimawandel.“
Stand: 09.05.2008