Wie schwierig und opferreich die Anbahnung einer engen genetischen Partnerschaft zwischen Virus und Wirt sein kann, aber auch, wie schnell dieser Prozess abläuft, zeigt ein Blick ans andere Ende der Welt, nach Australien. Genauer gesagt in die Küstenregionen Ost- und Südaustraliens. Denn hier lebt der Koala, ein wegen seines niedlichen Aussehens vor allem bei Kindern weltweit beliebtes und bekanntes Beuteltier.

Blutkrebs durch Retrovirus
Doch der einst häufig vorkommende knuddelige „Teddybär“ wird heute immer seltener, in New South Wales und Südaustralien gilt er bereits offiziell als bedroht. Nicht nur das Schrumpfen seines natürlichen Lebensraums macht ihm zu schaffen, sondern seit rund 40 Jahren auch eine Häufung von verschiedenen Arten von Blutkrebs. Immer mehr Tiere im Freiland, aber auch in Zoos und Wildparks erkranken und sterben an Leukämie und Lymphomen.
Alarmiert durch die hohen Todesraten, die innerhalb von 15 Jahren sogar zur völligen Ausrottung der Tiere in Queensland führen könnten, gingen Wissenschaftler um Jon Hanger von der Universität von Queensland der Sache nach. Wegen der seuchenartigen Ausbreitung tippten sie auf eine durch einen viralen Erreger ausgelöste Krebserkrankung und leiteten die „Fahndung“ ein.
Mit Hilfe von elektronenmikroskopischen Aufnahmen und genetischen Analysen ging ihnen schließlich tatsächlich ein Virus ins Netz: ein Retrovirus, das sie Koala-Retrovirus, kurz KoERV, tauften. Retroviren, eine vermutlich schon vor mehr als 250 Millionen Jahren entstandene Virenform, speichern ihre genetische Information nicht als DNA, sondern in Form eines kurzen RNA-Strangs, bestehend aus drei Genen, ab. Eines davon kodiert unter anderem das Enzym Reverse Transkriptase, mit dessen Hilfe die Retroviren ihr RNA-Erbgut in DNA umschreiben und es so problemlos in die Zellmaschinerie ihres Wirts einschleusen können.