Technik

Spurensuche

Wie konnte das passieren?

Die Untersuchungskommission des US-Senats befragt Überlebende im Waldorf Astoria in New York am 29. Mai 1912 © historische Aufnahme (Library of Congress)

Wie konnte das unsinkbare Schiff so schnell sinken? Was – oder wer – war schuld daran, dass die Katastrophe überhaupt passierte? Seit nunmehr hundert Jahren beschäftigen diese Fragen ganze Heerscharen von Sachverständigen, Wissenschaftlern, Nautikern und Hobbyforschern.

Bereits wenige Tage nach dem Sinken der Titanic werden beiderseits des Atlantiks Untersuchungskommissionen einberufen. Während der mehr als einen Monat dauernden Sitzungen befragen die Gremien zahlreiche Überlebende und werten tausende von Aussagen aus, um der Geschehen rekonstruieren zu können. Einige der Ergebnisse der Anhörungen prägen anschließend noch für Jahrzehnte das Bild der Titanic-Katastrophe – auch wenn sie falsch sind. So kommen die Experten zu dem Schluss, dass der Eisberg die Titanic auf einer Länge von 90 Metern aufgeschlitzt hat. Das Schiff sei dann ohne zu Zerbrechen in die Tiefe gesunken.

Modell des vorderen Wrackteils der Titanic, der Bug ist komplett vom Heck abgetrennt, das mehrere hundert Meter entfernt liegt. © Les Chatfield/CC-by-sa 2.0 gen

Bruch von oben oder unten?

Erst 1996, mehr als 90 Jahre später, stellt sich die Rekonstruktion der Kommissionen zumindest in Teilen als falsch heraus. Denn eine Expedition zu den 1985 entdeckten Wrackteilen der Titanic zeigt, dass das Schiff sehr wohl in zwei Teile zerbrochen ist. Strittig ist allerdings lange Zeit, wie und wann genau das Schiff zerbrach. Zunächst gehen Experten von einem Bruch etwa in der Mitte des Schiffs von oben nach unten aus. Doch viele Augenzeugenberichte wollen nicht zu diesem Ergebnis passen, ihr Zeugnis wird daher vielfach angezweifelt.

Die Form der Bruchstellen am Wrack, das ergeben weitere Tauchgänge, sprechen allerdings gegen Durchbrechen der oberen Decks zuerst. 2007 dann stellen der Ingenieur Richard Woytowich und der Technische Historiker Roy Mengot ein neues Computermodell vor, nach dem der Boden der Titanic zuerst den ungeheuren Spannungen nachgegeben haben muss. Ausgangspunkt dafür ist der Fund von Stahlstücken, die zum Schiffsboden gehörten. „Als ich die Kanten dieser Stahlstücke sah, hatte ich sofort das Gefühl, dass ich auf die Teile blickte, die zuerst nachgegeben haben, nicht als letztes“, erklärt Woytowich.

Ablauf des Auseinanderbrechens der Titanic nach Mengot und Woytowich © Structuur_Titanic.svg und CrazyPhunk, Abgewandelt von Cum Deo

Seinen Berechnungen brach die Titanic, als das Wasser Maschinenraum und Kesselräume im mittleren Rumpfteil flutete – zu diesem Zeitraum lag das Schiff bereits tief im Wasser, so dass viele Überlebende den Bruch nicht sehen konnten. Nähere Untersuchungen enthüllten zudem, dass etwa in der Mitte des Rumpfes zwei Teile des verstärkten Doppelrumpfs in einer Naht aufeinandertrafen. Diese Schwachstelle, so die Theorie, könnte der Ausgangspunkt für den Bruch gewesen sein.

Auch von einem 90 Meter langen Riss vorne rechts am Bug ist keine Spur zu erkennen. Stattdessen deutet alles darauf hin, dass der Eisberg sechs einzelne, kleinere Lecks verursacht hat. Aber warum?

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Nadja Podbregar
Stand: 12.04.2012

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Titanic: Untergang eines Mythos
Spurensuche hundert Jahre nach der Katastrophe

Das Schiff
Ein Ozeanriese auf Jungfernfahrt

Die Warnungen
Auf dem Weg in die vermeidbare Katastrophe

Die Kollision
Eiskoloss gegen Ozeanriese

Wasser im Bauch
Die ersten Minuten nach der Kollision

Das Ende
Die letzten Minuten der Titanic

Spurensuche
Wie konnte das passieren?

Eingebauter Schwachpunkt
Sparen am falschen Ort: die Eisennieten

Höhere Mächte
Sonne, Mond und Klima standen gegen die Titanic

Lehren aus der Katastrophe
Wäre eine Tragödie wie bei der Titanic heute noch möglich?

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