Dass nicht nur das Aussehen und das Verhalten der Schnabeltiere jede Menge Überraschungen bieten, sondern auch ihre DNA, hat sich erstmals im Jahr 2004 bestätigt. Damals untersuchten Wissenschaftler um Frank Grützner von der Australian National University in Canberra und der University of Melbourne erstmals das Erbgut der Tiere im Detail.
Dabei kamen sie einem für Säugetiere einzigartigen molekularbiologischen Phänomen auf die Spur: Schnabeltiere besitzen – warum auch immer – statt der üblichen zwei Geschlechtschromosomen, wie etwa der Mensch, gleich zehn. So sind die Zellen der Schnabeltiermänner mit fünf X- und fünf Y-Chromosomen ausgestattet, die Schnabeltierfrauen kommen dagegen auf zehn X-Chromosomen.
X-Chromosom ist nicht gleich X-Chromosom
Wie die Analysen der Forscher weiter zeigten, gibt es im Schnabeltiergenom noch eine weitere Kuriosität: Die X-Chromosomen unterscheiden sich deutlich in der Länge und im Aussehen. So erinnerten die Gene im größten X-Chromosom stark an ihre Gegenstücke beim Menschen. Die DNA-Sequenzen eines anderen X-Chromosoms glichen dagegen stark der Vogel-DNA und speziell deren so genanntem Z-Chromosom. Letztere besitzen zudem beide einen Erbgutbaustein mit dem Namen DMRT1, der bei Vögeln höchstwahrscheinlich das geschlechtsbestimmende Gen darstellt. Ob das DMRT1-Protein bei Schnabeltieren dieselbe Funktion besitzt, ist bis heute unklar.
Die Funde könnten nach Ansicht der Forscher womöglich sogar ein neues Licht auf die Evolution der Säugetiere werfen. Die Wissenschaftler um Grützner und Marilyn Renfree vermuten, dass der noch reptilienartige Vorfahre aller Säugetiere möglicherweise irgendwann ein Z-Chromosom-ähnliches Geschlechtschromosom besessen haben könnte.
Genom der Schnabeltiere entschlüsselt
Mittlerweile weiß man allerdings noch viel mehr über das Genom der Schnabeltiere. Denn einem internationalen Wissenschaftlerteam um Wesley C. Warren vom Genome Sequencing Center der Washington University in St. Louis hat im Jahr 2008 das Erbgut der Kloakentiere nahezu vollständig entschlüsselt. Es umfasst rund 2,4 Milliarden Basenpaare und 18.500 Gene. Damit sei es von der Größe her durchaus mit anderen Säugergenomen vergleichbar, so Forscher um Jürgen Schmitz von der Universität Münster, die an der Genomanalyse entscheidend beteiligt waren. Die Aufteilung auf 52 Chromosomen sei dagegen ungewöhnlich und habe eher Reptiliencharakter.
„Ihre Genorganisation war seltsam und ein wenig unerwartet“, ergänzt Mark Batzer von der Louisiana State University, einer der Co-Autoren der Studie. „Sie erschien weitaus Vogel- und Reptilien-ähnlicher als Säuger-typisch, obwohl es als Säugetier eingestuft wird.“
Wilde Mischung
Auch im Detail entpuppte sich die DNA der Schnabeltiere als wilde Mischung aus Vogel-, Reptilien- und Säuger-DNA, wie die internationale Forschergruppe feststellte. 82 Prozent aller Gene teilen die Schnabeltiere demnach mit Säugetieren, Reptilien oder Vögeln. Die restlichen 18 Prozent kommen dagegen ausschließlich bei den Kloakentieren vor, so die Genetiker. In ihrer Studie entdeckten sie dabei sowohl Säuger-typische Gene, die für die Milchproduktion eine wichtige Rolle spielen. Es gab aber auch Erbanlagen – etwa für die Eierproduktion-, die denen von Vögeln und Echsen verblüffend gleichen.
„Diese faszinierende Mischung von Eigenschaften im Erbgut liefert uns viele Anhaltspunkte dafür, wie die Erbanlagen aller Säugetiere funktionieren und sich entwickelten“, meint Richard Wilson von der Washington University, der Koordinator des Projekts.
Schnabeltiere riechen besser als gedacht
Das Schnabeltiergenom hielt aber noch mehr Überraschungen parat. Es erlaubte beispielsweise Rückschlüsse auf das Riechvermögen der Tiere, das im Gegensatz zum Sehen und Hören bislang als eher unterentwickelt eingeschätzt wurde. Doch die urtümlichen Säuger „erschnüffeln“ ihre Umwelt offenbar viel besser als gedacht.
Darauf deuten zumindest zahlreiche „Geruchsgene“ hin, die die Forscher im Erbgut entdeckten. Die Gene kodieren Rezeptorproteine, die für die Wahrnehmung von Düften eine entscheidende Rolle spielen. „Wir hätten nur sehr Wenige erwartet, weil die Tiere ja den Großteil ihres Lebens unter Wasser verbringen“, sagte Warren 2008 im Spiegel. Welche Bedeutung der Geruchssinn für das Leben der Schnabeltiere hat und wobei er genau eingesetzt wird, ist nach Angaben der Wissenschaftler zurzeit noch unklar.
„Last but not Least“ lieferte das Genom wichtige Indizien zur Position des Schnabeltiers im Stammbaum der Säuger. Die Analyse von Fossilien und molekularen Daten ergab nach Angaben der Forscher, dass sich die Linie der Kloakentiere bereits vor rund 166 Millionen Jahren als Seitenzweig von reptilienähnlichen Säugetiervorfahren abgespalten hat. Bislang ging man meist von einer Trennung vor rund 17 bis 65 Millionen Jahren aus.
Dieter Lohmann
Stand: 30.09.2011