Auch wenn kommerzielle Unternehmen bei den Mega-Konstellationen am weitesten fortgeschritten sind – inzwischen sind auch staatliche Akteure aufgewacht. Sie wollen nicht riskieren, dass sie beim lukrativen und in Zukunft möglicherweise essenziellen Geschäft mit dem Satelliten-Internet außen vor bleiben.
China: 13.000 Satelliten beantragt
Als erster staatlicher Player ist China am Start. Das Land soll verschiedenen Quellen zufolge schon seit 2018 an der Entwicklung einer eigenen Satelliten-Konstellation arbeiten. Erste Prototypen wurden bereits gebaut und orbitalen Tests unterzogen, wie unter anderem Bai Weimin von der staatliche Raumfahrtbehörde Chinas (CASC) gegenüber Medien erklärte: „Wir planen und entwickeln Internet-Satelliten und haben bereits Testsatelliten gestartet“, sagte er in einem Interview mit Shanghai Security News. Ein Satelliten-Internet ist auch offiziell Teil des Fünfjahres-Plans, den Xi Jinping und seine Regierung für 2021 bis 2026 aufgestellt haben.
Aus einem im September 2020 bei der International Telecommunication Union (ITU) eingereichten Antrag geht hervor, dass die chinesische Mega-Konstellation aus knapp 13.000 Satelliten in verschiedenen Orbits zwischen 500 und 1.145 Kilometer Höhe bestehen soll. Für die Konstruktion dieser Satelliten soll eigens ein nationales Netzwerk-Unternehmen eingerichtet worden sein. Spätestens im Jahr 2022 soll eine erste Gruppe von rund 60 Testsatelliten in die Umlaufbahn geschossen werden.
Bisher ist unklar, ob das chinesische Satelliten-Internet nur für China und chinesische Kunden gedacht ist oder ob es global agieren soll. „Der momentane Fokus scheint der heimische Markt zu sein. Aber wie bei anderen Technologien, darunter den Hochgeschwindigkeitszügen, ist es gut vorstellbar, dass China erst die Fehler im Inland ausbügelt, um dann die Dienst global zu vermarkten“, erklärte die US-Analystin Bhavya Lal im Oktober.
EU: Machbarkeits-Studie läuft…
Eher spät eingestiegen ist die Europäische Union. Sie hat erst im Jahr 2020 ein Konsortium aus Satelliten-Herstellern, Luftfahrt- und Telekommunikationsunternehmen damit beauftragt, die Machbarkeit und Notwendigkeit eines orbitalen Kommunikationssystems zu prüfen. „Die Studie wird untersuchen, wie ein Weltraum-basiertes System die kritischen Infrastrukturen ergänzen und verbinden könnte“, heißt es bei Konsortium-Mitglied Airbus. Auch die Vorteile für den Zugang zu Clouddiensten sollen beleuchtet werden. Ein erstes Ergebnis dieser Prüfung wird für Ende 2021 erwartet.
„Wir sehen, dass es dort draußen einige Konstellationen in der Entwicklung gibt. Aber sie sind nicht europäisch und das könnte zu einer Herausforderung für europäische Mitgliedsstaaten werden, wenn wir an eine sichere Konnektivität in und außerhalb Europas denken“, sagt Dominic Hayes von der Raumfahrt und Verteidigungsabteilung der EU-Kommission. Für die europäischen Regierungen, Behörden und auch militärische Nutzer soll vermieden werden, dass sie künftig von kommerziellen Anbietern abhängig sind.
Hoffnung auf Vorteil der „späten Geburt“
„Wir haben nicht den Vorteil des Ersten am Start“, räumt Hayes ein. Aber Europa könnte davon profitieren, dass einige Bauteile und Technologien durch die kommerziellen Vorreiter etabliert und dann günstiger produzierbar werden. Als ein Beispiel nennt der EU-Experte die Empfangsgeräte für das Starlink-System: Bisher verkauft SpaceX die Antennen und Router unter ihrem Wert und macht damit im Prinzip Verluste. Durch Massenfertigung könnten solche Receiver aber in Zukunft deutlich billiger werden.
Sollte die Entscheidung für eine europäisches Satelliten-Konstellation fallen, stellt sich die Frage, wer an dessen Bau und Entwicklung beteiligt sein wird. Neben den bereits an der Machbarkeitsstudie beteiligten Firmen wäre dafür auch der französische Satellitenbetreiber Eutelsat in Frage gekommen. Allerdings hat dieser im April 2021 eine halbe Milliarde Euro in OneWeb und damit einen direkten Konkurrenten eines geplanten europäischen Konstellation investiert.
„Ich sehe nicht, wie ein Akteur an zwei konkurrierenden Projekten beteiligt sein kann“, kommentierte daraufhin der EU-Kommissar für den Binnenmarkt Thierry Breton. Die neue EU-Konstellation sei für die Autonomie, die Souveränität und für die Zukunft der EU absolut entscheidend. „Damit machen wir keine Kompromisse“, so Breton.