Es ist ein Wunder der Natur: Aus einem winzigen, undifferenzierten Zellklumpen wird im Laufe von neun Monaten ein hochkomplexes lebendes Wesen – scheinbar wie von Geisterhand. Nur durch subtile Signale von Genen und Botenstoffen gesteuert, wandern Zellen an die für sie bestimmte Stelle und es bilden sich Gewebe und Organe.
32 Gene als „Zündschlüssel“
Den „Kickstarter“ für seine Entwicklung bekommt der Embryo schon am zweiten Tag seiner Existenz. Erst 2015 haben Forscher herausgefunden, dass zu diesem Zeitpunkt nur 32 unserer rund 23.000 Gene angeschaltet sind – doch sie sind die entscheidenden: „Diese Gene sind der ‚Zündschlüssel‘, der gedreht werden muss, um die Entwicklung eines menschlichen Embryos zu starten,“ erklärt Juha Kere vom Karolinska Institut in Stockholm.
Das Spannende dabei: Sieben dieser „Zündschlüssel“-Gene waren zuvor völlig unbekannt. Wozu sie dienen, brachte erst die Spurensuche in der Frühphase der Schwangerschaft ans Licht. Ebenfalls erstaunlich: Auch die lange für funktionslos gehaltene „Junk-DNA“ mischt in diesen ersten Lebenstagen des Embryos kräftig mit. Gesteuert von diesen und später vielen weiteren Genen bilden sich im ersten Schwangerschaftsdrittel die Gewebe, Organe und Gliedmaßen des Embryos.
Ein seltsamer Symmetriebruch
Bis etwa zur dritten Woche ist der nur wenige Millimeter kleine Embryo noch völlig symmetrisch – auch in seinem Inneren. So bereiten sich rechts und links der Mittellinie zwei kleine Zellklumpen darauf vor, einmal das Herz zu werden und auch die Anlage für die Verdauungsorgane zieht sich als schlauchähnliches Gebilde mittig durch den Mini-Körper.
Doch nun geschieht etwas Seltsames: Plötzlich durchbricht der Embryo die bisher herrschende Symmetrie. Durch die seitenspezifische Aktivität bestimmter Gene geleitet, beginnen nun einige Organe, auf eine der beiden Körperseiten zu wandern. Die Herzanlage beult sich nach links, die Leber bewegt sich nach rechts und der Darm bildet erste Schlingen. Unser typisch asymmetrisches Innenleben entsteht.
Zweck rätselhaft
Aber warum? Bis heute haben Forscher darauf keine vollständige Antwort. Fakt ist jedoch, dass der Mensch und die meisten höheren Tiere zwar außen symmetrisch sind, innen aber nicht. Dass unser Herz links liegt und der Blinddarm rechts, ist dabei zwar die Norm – es gibt aber Ausnahmen: Etwa ein Embryo unter 8.0000 bis 25.000 entwickelt sich sozusagen verkehrt herum. Sein Innenleben ist ein genaues Spiegelbild des Üblichen, bei ihm liegt beispielsweise das Herz rechts und die Leber links.
Gesundheitlich bedenklich ist dieser sogenannte Situs inversus aber meist nicht – die Ärzte müssen nur wissen, wo sie im Krankheitsfall nach Herz, Blinddarm und Co suchen sollen.
Problematischer sind dagegen die seltenen Fälle, bei denen die Reorganisation der inneren Organe nur unvollständig abläuft. Weil entscheidende Steuergene defekt sind, liegen Leber, Milz und Co entweder in der Mitte oder zufällig verteilt im Körperinneren. Auch das Herz ist dann häufig fehlgebildet. Oft kann dann nur eine aufwändige Operation helfen.
Nadja Podbregar
Stand: 13.05.2016