Sauber und billig soll er sein, der Strom aus Wasserkraft. So argumentieren jedenfalls die Staudammbefürworter. Wissenschaftler und Umweltorganisationen sehen dies allerdings anders. Schon seit Jahrzehnten nimmt die Kritik an dieser Form der Energiererzeugung weltweit immer mehr zu. Sie hat mittlerweile in den USA dazu geführt, dass dort solche Staudammprojekte kaum noch politisch durchsetzbar sind.
Dammgegner bemängeln, dass die Vorteile des Staudammbaus häufig übertrieben, die Nachteile dagegen unter den Teppich gekehrt werden. Die Ziele der Staudämme, so die Argumentation der Kritiker weiter, seien mithilfe anderer Methoden und Maßnahmen zudem sehr viel effizienter und nachhaltiger erreichbar.
Denn preiswert ist der Strom aus Wasserkraft nur, wenn die Dämme einmal fertig sind. Stellt man dagegen die riesigen Kosten und die lange Bauzeit mit in Rechnung, sieht die Bilanz schon ganz anders aus. 20 Milliarden Dollar hat allein der Itaipu-Damm in Brasilien gekostet, bei einer Bauzeit von mehr als 18 Jahren. Und wie so häufig bei derartigen Großprojekten, wurde der Damm letztlich erheblich teuerer als geplant und dies in den Rentabilitätsstudien nicht berücksichtigt. Bis zu 30 Prozent, in Extremfällen sogar bis zu 60 Prozent, mehr Geld als vorgesehen verschlingen solche Mega-Dämme dann mitunter. Dies jedenfalls haben die Nachforschungen der Experten der World Commission on Dams ergeben.
Auch hinsichtlich des Leistungsvermögens der Wasserkraftwerke sind die Macher solcher Projekte häufig übertrieben optimistisch. Die möglichen Auswirkungen von Dürren oder anderen Naturereignissen auf die Stromproduktion finden in die Planungen meist ebensowenig Berücksichtigung wie der wirkliche Energiebedarf der Region. Hierfür ist der Itaipu-Damm ein glänzendes Beispiel. Fast ein Fünftel der versprochenen Energie fehlen heute in den Jahresbilanzen des seit einigen Jahren fertiggestellten vielleicht größten Wasserkraftwerks der Welt.
Bezieht man dann noch Faktoren wie die Zerstörung zahlloser Ökosysteme der Flüsse oder die sozialen Folgen der Staudammprojekte mit in die Kosten-Nutzen-Rechnung ein, verblasst die schillernde Vision von sauberen und billigen Stromerzeugung mithilfe der Wasserkraft immer mehr zu einer reinen Fata Morgana. Werbeslogans wie „Mein … ist aus Wasserkraft“ klingen vor diesem Hintergrund weder zukunftsweisend noch besonders verlockend.
Wenn die Wasserkraft nicht die Lösung aller Probleme bei der Stromversorgung ist, welche Lösung gibt es dann? Der Energieverbrauch in vielen Staaten und Regionen der Welt ist außerordentlich verschwenderisch, lautet die Antwort der Kritiker auf diese Frage, die mittlerweile nicht mehr nur aus dem Umweltlager stammen. Bevor neue (Wasser-)Kraftwerke geplant und auf den Weg gebracht werden, sollten vorher alle Möglichkeiten des Energiesparens ausgeschöpft sein.
Allein in Deutschland beispielsweise gingen 1995 durch die Stand-By-Einstellung vieler Elektrogeräte elf Prozent des Stroms in deutschen Haushalten und Büros verloren. Das ergab eine im Auftrag des Umweltbundesamtes und des Bundesministeriums für Umwelt erstellte Studie. Der Leerlaufkonsum summiert sich dabei auf mindestens 20,5 Milliarden Kilowattstunden im Jahr – das ist mehr als zwei 1.000-Megawatt-Kraftwerke erzeugen oder weit mehr als eine Großstadt wie Berlin in einem ganzen Jahr benötigt. Dieser unnütze Stromverbrauch verursachte zudem rund 1,5 Prozent des gesamten Kohlendioxid- (CO2-) Ausstoßes in Deutschland.
Wenn neue Kraftwerke wirklich benötigt werden, favorisieren heute viele Experten und Umweltschützer Solar- und Windenergieanlagen, die mittlerweile zumindest an der Schwelle zur wirtschaftlichen Rentabilität stehen. Alternativ können vorrangig gasbetriebene Kraftwerke im Rahmen der Stromerzeugung genutzt werden, die kosteneefektiv arbeiten und geringere Auswirkungen auf die Umwelt haben als die Verfeuerung von Kohle oder Erdöl.
Stand: 13.11.2000