Im Inneren von Sternen herrschen unvorstellbar hohe Temperaturen von bis zu einigen Milliarden Grad Celsius. Die freien Neutronen haben bei diesen Temperaturen eine große Geschwindigkeit. Trotzdem ist es leicht, diese schnellen Neutronen in Teilchenbeschleunigern zu erzeugen und in irdischen Laboren zu untersuchen.
Kette aus Neutroneneinfang-Reaktionen
Quantitative Rückschlüsse auf die Vorgänge im Inneren der Sterne erfordern die genaue Kenntnis der Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit einer Reaktion in Abhängigkeit von Temperatur und Dichte im Sterneninneren. Forscher der Arbeitsgruppe für Experimentelle Astrophysik an der Universität Frankfurt untersuchen die Neutroneneinfang-Reaktionen im s-Prozess. Instabile (radioaktive) Isotope sind dabei von besonderem Interesse.
Wenn diese Isotope im Stern durch Neutroneneinfang produziert werden, können sie anschließend entweder erneut ein Neutron einfangen oder zerfallen. Der Reaktionspfad verzweigt sich an dieser Stelle (Verzweigungspunkt). Abhängig vom Reaktionspfad werden bestimmte Kerne mehr oder weniger häufig produziert: Eine größere Zahl an freien Neutronen führt zum Beispiel zu einer vermehrten Produktion der Neutroneneinfangsprodukte.
Radioaktivität als Störfaktor
Untersuchungen an radioaktiven Kernen erfordern jedoch viel größere experimentelle Anstrengungen als Experimente mit stabilen Kernen. Zum einen sind die Erzeugung des Probenmaterials und der Umgang damit wesentlich schwieriger. Zum anderen stört die von den radioaktiven Kernen ausgesandte Strahlung die Messung, weil sie die Signale der Reaktionsprodukte im Detektor überlagert. Deshalb kann nur eine geringe Menge an Probenmaterial verwendet werden. Im Experiment kann dies nur durch entsprechend höhere Neutronenflüsse ausgeglichen werden.
An der im Bau befindlichen Frankfurter Neutronenquelle FRANZ entstehen derzeit weltweit einmalige Experimentiermöglichkeiten. Dies betrifft insbesondere die Anzahl der verfügbaren Neutronen mit astrophysikalisch relevanten Energien. Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projekts NAUTILUS (Nuclear Astrophysics Constraining Stellar Nucleosynthesis) wird die Probe deutlich näher an der Neutronenquelle platziert als üblich.
Bei kürzerem Abstand erreichen wesentlich mehr der in alle Raumrichtungen fliegenden Neutronen die Probe. Somit kann bei gleicher Neutronenquellstärke mit noch kleineren Probenmengen experimentiert werden. Das neue Verfahren soll am Beispiel des radioaktiven Krypton-85 demonstriert werden. Der Kern Krypton-85 ist ein Verzweigungspunkt im s-Prozess und von höchstem astrophysikalischem Interesse. Da das Edelgas Krypton praktisch nur als Gas in Experimenten eingesetzt werden kann, ist die Herstellung großer Proben eine technologische Herausforderung.
Kathrin Göbel und René Reifarth / Forschung Frankfurt
Stand: 16.12.2016